Kennen wir alle: Der Paketbote klingelt, aber keiner macht auf, keiner ist da. Ja, okay, es gibt Nachbarn – wenn sie da und willig sind. Es gibt Paketstationen – aber so viele dann auch wieder nicht außerhalb der Ballungszentren. Dito Agenturen und Filialen. Da kann einem doch der ganze Spaß am Online-Shopping vergehen! Kein Scherz.
Das bestätigt auch YouGov. YouGov sitzt in Köln, führt einen tollen Slogan („What the world thinks“), forscht international zu Markt und Meinung und fand nun eben in einer aktuellen Studie heraus: 61 Prozent der befragten Deutschen lassen sich ihre Bestellung am liebsten immer noch an die eigene Haustür liefern. Paketstationen und Filialen machen mit drei bis sechs Prozent kaum etwas aus. Und das, nachdem die Paketdienste sich mächtig ins Zeug gelegt und viel Geld, Zeit und Mühe in den Aufbau von Stations- und Agenturnetzen gesteckt haben. Die Leute, also wir, wollen das nicht wirklich umfänglich, geschweige denn mehrheitlich. Ja, was wollen wir dann?
Auch das sagt die Studie. Fast ein Drittel der befragten Deutschen würde sogar eine längere Wartezeit bei der Sendungszustellung in Kauf nehmen, wenn wir Zeit und Ort der Zustellung selbst bestimmen könnten und dürften. Also zum Beispiel: „Bitte heute Nachmittag zwischen zwei und vier bei uns im Büro – der Chef ist grad nicht da.“ Oder: „Heute Abend ab 19 Uhr – weil ich dann selber erst wieder im Feierabend und zu Hause bin!“ Das Problem bislang: der Paketbote ebenfalls. Logisch.
Wie wichtig ist uns die selbstständige Wahl des individuell passenden Liefertermins und -orts? Ein Drittel der Befragten sagte: Wenn Wunschzustellung möglich ist, würden wir sogar noch mehr online bestellen. Man hört förmlich, wie amazon die Hände reibt. Und dann die Arme flehend zum Himmel reckt, damit die Wunschzustellung endlich kommt. Man könnte sich vorstellen, dass amazon bald auch die letzte Meile der Logistik aufrollt. Wobei: Das macht amazon eigentlich schon. Mit der Entwicklung von Bienchen, der fleißigen Paketdrohne (unser Namensvorschlag). Denn genau dafür sind Drohnen da. Und Paketroboter: um die Wunschzustellung (endlich) zu ermöglichen. Weil die Zustellung auf Wunsch ein äußerst starker Hebel für den Online-Umsatz ist – und eben nicht bloß ein gigantisches Warenangebot und eine kinderleicht zu bedienende eKatalog-Oberfläche.
Um es noch deutlicher zu sagen: Die Logistik macht’s. Wieder einmal. Nicht mehr der Wunsch nach einem objektiv fürs Leben nötigen Produkts ist kaufausschlaggebend. Den Einkauf solcher Produkte haben wir längst und größtenteils hinter uns gelassen. Was wir heute einkaufen ist zum großen Teil Saturation, Konsum-Overkill und Alltagsluxus. Impulskauf. Wir wollen’s so schnell wie möglich und zum Wunschtermin/ort und wenn wir’s so nicht kriegen, dann wollen/brauchen wir es auch nicht. Dann erlischt eben ein ganzes Drittel unserer Kaufwünsche so spontan und impulsiv wie sie entstanden sind. Das klingt leicht bescheuert, hätte aber auch positive Nebenwirkungen.
Innenstädte würden nicht mehr verstopft und vergast von Paketautos, die schon zum dritten Mal zur selben Haustür fahren – wenn schon beim ersten Mal die Wunschzustellung zustande käme. Die Paketflotten wären effizienter, die Fahrer entlastet und wir alle hätten weniger Stress. Wenn das so ist, warum gibt es dann noch keine Wunschzustellung?
Blöde Frage: Weil die meisten Wunschtermine natürlich zwischen 12 und 13 und zwischen 18 und 20 Uhr lägen – und für 3-Stunden-Arbeitstage findet man kein Tarifmodell. Ganz zu schweigen davon, dass das dann der Todesstoß für die Innenstädte wäre. Ergo: Mit den bisher üblichen Mitteln und Arten der Zustellung ist das einfach nicht großflächig zu machen. Da müsste sich die Logistik schon etwas anderes einfallen lassen.
Zum Beispiel Rohrpostbelieferung jedes Haushaltes, Drohnen, Roboter, Pakettauben oder -kängurus oder ein privates, Internet-gestütztes und hauptsächlich von SeniorInnen betriebenes Annahme-Netz; sozusagen Uber für Sendungen. Scherz beiseite: Es muss sich was ändern.
Schon deshalb, weil der Online-Umsatz wächst und wächst. Allein in den letzten fünf Jahren ist er Jahr für Jahr um jeweils acht bis zehn Milliarden Euro gestiegen. Wenn sich dann tatsächlich in eher früher als später Zukunft etwas geändert haben wird, werden wir noch mehr online bestellen. Bis die letzten verbliebenen Einzelhändler in unseren Städten zu musealen Einrichtungen unter Denkmalschutz gestellt werden und viele von uns dann so leben wie jetzt schon einige zehntausend Japaner: Sie verlassen ihre Wohnung nicht mehr, weil sie das nicht mehr müssen. Es wird ja alles an die eigene Wohnungstür geliefert! Schöne neue Welt.