Erinnern Sie sich? Vor zwei Wochen ging es hier um den Fipronil-Skandal. Millionen Eier waren mit dem Schädlingsmittel Fipronil belastet in den Handel und auf unseren Frühstückstisch gelangt. In Wahrheit ging es natürlich nicht nur um Eier und Fipronil, sondern um die viel umfassendere Frage: Was essen wir denn da? Es ging und geht und wird in Zukunft noch viel mehr um die Sicherheit unserer Lebensmittel gehen und die Transparenz, die wir darüber erlangen. Wir sehen das Ei – aber nicht, was alles im Ei drin ist.
Wie also werden Lebensmittel nicht nur bio oder grün oder trendy und gehaltvoll, sondern auch noch transparent? Wie kriegt man das gläserne Ei?
Bislang galt: Es gibt keine letzte Sicherheit über das, was wir uns in den Mund schieben. Das behaupten zwar Politiker und Experten oft und gerne, aber das ist natürlich unerträglich. Damit muss Schluss sein. Die Blockchain könnte tatsächlich damit Schluss machen. Wir alle haben den Begriff schon mal gehört.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Eine Blockchain ist, wie der Name schon sagt, eine Kette (Chain) aus Datenblöcken. So weit, so technisch. Das wirklich Neue, Tolle und Einzigartige ist: Die Blockchain liefert im allseits bedrohten Internet eine Sicherheit und Transparenz, die extrem hoch ist und von keiner anderen Technik erreicht wird. Denn mit jeder neuen Stelle, die Datenblöcke weitergibt oder empfängt, wird ein neuer Datenblock angefügt, der nicht mehr gefälscht werden kann. Auch deshalb nicht, weil die Daten nicht auf einem zentralen Server liegen, den man auch mal hacken könnte, sondern auf viele verschiedene Computer verteilt sind. Und diese verstreuten Computer kommunizieren ständig miteinander, was eine Manipulation einzelner Datensätze so gut wie unmöglich macht. Das war entscheidend bei der Einführung der Internet-Währung Bitcoin. Ohne diese Sicherheit gäbe es keine Digitalwährung.
Diese Sicherheit ist so hoch, dass sie Banken als Gewährsinstitution für Finanztransaktionen überflüssig macht: Die Blockchain ist (mindestens) so sicher wie eine Bank – man denke. Klingelt’s schon?
Natürlich: Wenn die Blockchain Geld so sicher macht – könnte sie das nicht auch für Lebensmittel tun? Im Prinzip ja. Und wie immer bei solch genialen Ideen hängt es nicht am Prinzip, sondern an der konkreten Technik: Ein Ei, ein Kopfsalat, ein Steak sind etwas anderes als ein Bitcoin. Nicht für IBM.
In Kooperation mit neun namhaften Lebensmittelherstellern und -händlern wie Nestlé, Unilever oder WalMart erstellt der IT-Konzern gerade eine neue Blockchain, die Lebensmittel so transparent und sicher machen soll wie den Bitcoin.
Denn nach Stand der heutigen, alten, analogen Technik kann es – wie beim Fipronil-Skandal – Wochen dauern, um den oder die Verursacher einer Verunreinigung zu identifizieren. Weil Erzeuger, Händler, Supermärkte und Behörden nicht schnell und umfassend genug an die nötigen Daten entlang der kompletten Supply Chain herankommen. In der Blockchain dagegen sind wirklich alle (erfassten) Daten beisammen und für sämtliche Partner in der Lieferkette auf Knopfdruck abrufbar. Natürlich kann ein krimineller Eiervergifter immer noch Schädlingsmittel X angeben und in Wirklichkeit Schädlingsmittel Y anwenden. Doch weil der Schwindel dank Blockchain dann viel schneller auffliegen würde, wird das kaum noch einer wagen: Das Risiko ist zu hoch.
Schöner Nebeneffekt: Lebensmittel werden endlich mit der Wichtigkeit und Bedeutung angesehen und behandelt, die ihnen zusteht. Warum sollte eine Überweisung über 100 Euro besser gesichert sein als ein durchschnittlicher Discounter-Wocheneinkauf für eine vierköpfige Familie für 100 Euro? Unser Essen ist mindestens ebenso viel wert wie unser Geld – wenn nicht mehr, wie der alte (fälschlicherweise den Cree-Indianern zugeschriebene) Spruch besagt, der darauf hinweist, dass irgendwann auch der letzte Zeitgenosse merken müsste, dass man Geld nicht essen kann.
Es mag einigen irre vorkommen, dass unser Essen bald mit Hochsicherheitstechnik gesichert werden wird. Doch so groß ist der Aufwand nicht: Ist eine Blockchain erst einmal eingerichtet, sind die Rechner vorhanden, die Algorithmen, die Sensoren und die Dateneingabegeräte, dann macht sie kaum noch Aufwand. Und: Brunnen wurden schon immer vergiftet.
Es haben sich in letzter Zeit die realen Bedrohungen durch Brunnenvergifter wegen den weit verzweigten Lieferketten der Globalisierung und den Auswüchsen des Turbo-Kapitalismus lediglich rasend schnell entwickelt. Unsere Lebensmittelsicherheit nicht. Gut, dass sich das jetzt ändern wird.