Die Biene bringt‘s

Wer bringt’s? Bislang bringen die Paketdienste alles, was wir bestellen, zu uns nach Hause. Online-Shopping boomt derart, dass alle Lieferdienste zusammen im Moment 5.000 neue Lieferfahrer suchen – und sie nicht kriegen. Fachkräftemangel. Wie gut, dass wir die Crowd haben und im Sharing-Zeitalter leben: Damit kann auch der nette Nachbar mir etwas mitbringen.

Ich brauche zum Beispiel einige Lebensmittel aus dem Supermarkt, habe aber gerade keine Zeit. Macht nichts, denn der Nachbar fährt sowieso Einkaufen und bringt meine Einkäufe dann eben mit. Gegen eine kleine Entlohnung, versteht sich. Wie kommen wir zusammen? Über Apps und Internet-Services zu Crowd Logistics wie zum Beispiel BringBee: Alle, die etwas zu transportieren haben und alle, die etwas transportieren können und wollen, treffen sich auf der BringBee-Homepage und bringen Angebot und Nachfrage zusammen. Die Implikationen sind atemberaubend.

Zum Beispiel für die Stärkung von Wohnquartieren, die Zusammengehörigkeit von Nachbarschaften, aber vor allem auch für ländliche Gebiete, in denen der örtliche Einzelhandel schon lange nicht mehr präsent ist. Eigentlich eine gute Idee – wenn sie sich trägt. Genau das tat zum Beispiel BringBee nicht: Der Dienst verabschiedete sich 2014 aufgrund von zu geringem Wachstum aus dem Markt. Nichtsdestotrotz ist Crowd Logistics groß in Mode.

Mehrere Dienste gibt es inzwischen, darunter auch myways. Dieser Crowd-Dienst ist innerhalb von großen Städten zu finden. Wer zum Beispiel vom Vorort ins Zentrum fährt, meldet das – und kann dann ein Paket mitnehmen. Da geht der Güterverkehr innerhalb von großen Städten ganz eigene Wege. myways ist übrigens ein DHL-Projekt. Das heißt: Auch die großen, traditionellen Paketdienste machen bei Crowd Logistics mit.

Sie befinden sich nämlich in einem schönen Dilemma. Entweder man fühlt sich von den neuen Crowd-Diensten bedroht – oder man bedroht sich lieber selber. Damit wahrt man wenigstens seine Chance und ist dabei, wenn die Welt sich weiterdreht.

myrobin ist ein österreichischer Dienst, der Crowd Logistics geographisch ausgedehnt hat: Wer zum Beispiel nach London fliegt, nimmt dann mein Paket mit. Das ist wesentlich billiger als der traditionelle Paketversand. Auch CoCarrier ist so ein neuer Dienst. Einer meiner Assistenten fuhr beispielsweise dieser Tage nach Hamburg, meldete sich und seine Reise auf CoCarrier an – und freute sich: Der stehende Tarif für ein 5-Kilo-Paket beträgt knapp 40 Euro. Ein schöner Zuschuss zur Reisekasse. Wobei: Schön ist nicht wirklich alles in der schönen neuen Welt des Güterverkehrs in der Crowd.

In Österreich lief nämlich schon ein Ermittlungsverfahren gegen myrobin wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit: Wenn „der Hermes“ mir ein Paket zustellt, dann kriegt der Staat die Lohnsteuer für den Fahrer ab. Stellt der Nachbar zu, entgeht dem Staat die Steuer. Wir kennen das Problem von Uber, weshalb der deutsche Staat auch die Personenbeförderung nach dem ursprünglichen Uber-Modell verboten hat. In Österreich jedoch wurde entschieden: Eine Gewerbeanmeldung ist nur für jene myrobin-Fahrer nötig, die regelmäßig fahren und zustellen. Man könne nicht sämtliche Fahrer unter den Generalverdacht der Steuerhinterziehung stellen. Also wurde das Verfahren eingestellt: Die Crowd ist legal.

Uber übrigens ruht nach dem deutschen Verbot nicht, sondern plant jetzt mit Uber Freight den Einstieg in den Gütertransport als Frachtvermittlungsplattform via App. Damit könnten dann ganze LKW-Ladungen an private respektive selbstständige Trucker vermittelt werden. Das wäre eine direkte Konkurrenz zu traditionellen Frachtvermittlern, was dann wohl zu einem Preiskampf führen wird.

Einmal von den Uber-Aktionen abgesehen: Crowd Logistics ist eine gute Sache auch für die Umwelt. Wenn ich sowieso von X nach Y fahre, muss es für das Paket, das ich transportiere, kein gewerblicher Lieferdienst tun. Täglich sind Millionen Autos allein in Deutschland „sowieso“ unterwegs – also warum sollten die nicht auch etwas mitnehmen? Alle profitieren davon – bis auf die gewerblichen Lieferdienste. Denen würde viel Geschäft entgehen, wenn Crowd Logistics mal so richtig boomt. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich angesichts der schlagenden Vorteile.

Denn gerade in großen Städten ist die 1-Hour-Delivery keine Utopie: Es sind so viele Leute unterwegs, dass mir immer jemand gerade das mitbringen kann, was ich jetzt brauche – und das in kürzestmöglicher Zeit, zum Beispiel meine neue Ming-Vase. Und wenn der Hobby-Zusteller sie fallen lässt?

Das ist eines der Probleme mit Crowd Logistics. Deshalb versichert CoCarrier seine Pakete bis 500 Euro. Ein anderes Problem: Werden Sie mit Crowd Logistics ungewollt zum Drogenkurier? Man solle sich vorher den Inhalt vom Paket zeigen lassen, empfehlen einige Dienste. Naja – ob das jeder Versender möchte? Doch einmal von solchen Dingen abgesehen: Crowd Logistics kommt immer mehr in Fahrt.

Immer mehr solcher Dienste sprießen aus dem Boden. Wir sind gespannt, wie sich das entwickelt, wann das ganz selbstverständlich zum Alltag gehört. Wir leben in spannenden Zeiten. 

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