Was kaufen Sie? Ganz früher kauften wir mal, wenn wir sie uns leisten konnten, die besten Produkte. Klar: Warum etwas weniger Gutes kaufen, wenn wir auch was Besseres haben können? Das hat sich in weiten Teilen geändert.
Was nutzt mir das tollste Produkt, wenn ich eine Woche darauf warten muss, während ich das zweittollste schon mit 1-Day- oder 1-Hour-Delivery bekommen kann? Ergo: Heutzutage gewinnen nicht mehr nur die besten Produkte, sondern die besten Lieferketten, Supply Chains. Wer hat die besten Supply Chains?
Das hat das weltweit tätige, amerikanische Marktforschungsunternehmen Gartner ermittelt. Und zwar für Europa und die Welt. Was tippen Sie? Wer hat die beste Supply Chain in Europa und auf der ganzen Welt?
Unilever – in beiden Kategorien. Der Konzern verfügt über Marken wie Dove, Axe, Rexona, Vaseline oder auch Knorr und Langnese und viele andere mehr. Unilever kommt in Europa und der Welt auf Platz 1. In der Welt auf Platz 2 kommt – das erraten sicher viele – McDonald’s. Man denkt zwar nicht unbedingt daran, wenn man in den Big Mac beißt, aber es stimmt. Bewertet wurde bei diesem Ranking nicht nur, ob der Big Mac nie ausgeht, sondern daneben viele wirtschaftliche Kriterien der Marktversorgung, aber auch die Corporate Social Responsibility des Unternehmens. Wo liegt Deutschland?
Ich glaube, da tippen nur die Insider richtig: BASF hat die beste deutsche Lieferkette und liegt damit weltweit auf Platz 16, in Europa auf Platz 6. BMW steht in Europa auf Platz 9, Adidas auf 13, Siemens auf 15. Das macht nachdenklich: Wir Deutschen sind zwar Exportweltmeister, aber offensichtlich nicht Supply-Chain-Weltmeister. Das ist schade. Wir müssen quasi mit unserer Ingenieurskunst wettmachen, was unsere Lieferketten (noch) nicht leisten können.
Auch das bestplatzierte europäische Unternehmen kommt nicht aus Deutschland, sondern aus Schweden: H&M – in Europa auf Platz 3, in der Welt auf dem fünften Rang. Warum ist ausgerechnet ein Mode-Unternehmen der beste Europäer? Weil in der Mode, Stichwort „Fast Fashion“, die Lieferkette inzwischen ein Erfolgsgarant ist: Es gewinnt nicht mehr die beste Kollektion, sondern die Kollektion, die am schnellsten in den Läden ist. Wenn gestern in Los Angeles ein neuer Modetrend auftauchte, überschwemmt er heute Youtube und nächste Woche wollen die Kids und Fashion Victims ihn im Laden um die Ecke kaufen können.
Der Competitive Advantage, der zentrale Wettbewerbsvorteil in der Mode ist nicht mehr (nur) die Mode, sondern (vor allem) die Supply Chain und wie agil und flexibel sie ist. Und das ist bei immer mehr Produkten so. Wer als erster den neuen Trend im Laden hat, macht das Geschäft. Erfolg ist heute der Erfolg der Supply Chain. Was macht ihn aus? Gartner hat drei Faktoren identifiziert:
a) Digitalisierung
b) Adaptibilität
c) Nachhaltigkeit
Bei der Digitalisierung liegen vor allem jene Firmen vorne, die Mut zu digitalen Experimenten zeigen und Neues ausprobieren wie das Internet of Things oder Cloud Computing. Der Faktor Adaptibilität spricht für sich: Je agiler und flexibler sich eine Supply Chain an veränderte Marktbedingungen und andere Rahmenfaktoren wie geänderte Gesetze oder Protektionismus anpassen kann, desto besser kann sie die Nachfrage versorgen. Und schließlich wird Nachhaltigkeit für Verbraucher und Unternehmen immer wichtiger – was uns natürlich freut.
Was das Gartner-Ranking auch zeigt: Es gibt nicht die perfekte Supply Chain und es gibt keine Patentrezepte. Supply Chains sind wie Menschen: sehr verschieden. Um das Richtige für ihre Versorgungskette herauszufinden, gehen deshalb viele Unternehmen Partnerschaften mit Universitäten ein, um schneller und zuverlässiger das erforschen zu können, was ihre Supply Chain noch besser macht. Das gilt vor allem für das Thema Digitalisierung.
Auffallend am Faktor Adaptibilität ist: Die anpassungsfähigsten Lieferketten, die Gartner untersuchte, waren aktuell bereits in großen Teilen komplett anders als noch vor einem Jahr. So schnell passen sich die besten Versorgungsketten an.
Wer gut aufgepasst hat, fragt spätestens an dieser Stelle: Und wo sind jene Unternehmen, die wir an der Spitze der Tabelle erwarten? Wo sind Amazon, Apple und Procter&Gamble? Die sind so gut, dass sie außer Konkurrenz laufen. Seit zehn Jahren werden sie in der Master Category geführt: So gut, dass sie absehbar keiner mehr einholt. Eine Klasse für sich. Das kann man für die meisten Unternehmen leider nicht sagen.
Denn es gibt große Unterschiede zwischen den Bestplatzierten und dem Feld der Teilnehmer. Vor allem kleine Unternehmen und Mittelständler haben noch großen Aufholbedarf, insbesondere was Digitalisierung und Nachhaltigkeit angeht. Das macht noch viel Arbeit, lohnt sich aber. Es lohnt sich, an Produkten zu tüfteln. Noch mehr lohnt sich jedoch, an der Versorgungskette zu arbeiten. Es lohnt sich für alle: Für die Unternehmen, die Partner in der Supply Chain, uns Kunden und für die Umwelt.