Die Fußball-WM ist vorüber. Das sportliche Ergebnis steht fest. Wie steht es mit dem finanziellen, bilanziellen, betriebswirtschaftlichen Ergebnis? Werfen wir ein Schlaglicht auf eine Handvoll interessanter Zahlen, Daten, Fakten.
Es gibt zahlreiche WM-Effekte, die bereits verbucht werden konnten. Zum Beispiel bei der Werbung. Wir alle atmen seit dem Finale erleichtert auf, weil wir nun endlich dem Trommelfeuer der Werbestrategen entkommen sind. Man konnte ja in keinen Discounter mehr gehen, keinen TV-Kanal mehr anklicken, ohne sofort unter WM-Werbebeschuss genommen zu werden: Fußball! Nichts als Fußball überall! Als ob es nichts Anderes oder Wichtigeres geben würde. Diese werbliche Feuerkraft, der wir in den letzten Wochen ausgesetzt waren, war enorm: 2,4 Milliarden Dollar zusätzlicher Werbe-Ausgaben wurden in die WM-Kampagne investiert. Die Werbe-Agenturen lieben Weltmeisterschaften! Und natürlich die Fifa.
Allein die TV-Rechte haben ihr rund drei Milliarden Dollar eingebracht. Den Deutschen Fernsehzuschauer kostete die WM 257 Millionen Dollar. Das ist selbst dann eine beeindruckende Summe, wenn man sich nicht fragt, was man mit so einer Riesensumme Sinnvolles hätte anstellen können; zum Beispiel Schultoiletten in verfallenden Schulgebäuden renovieren. Noch beeindruckender werden solche Summen, wenn wir sie nicht absolut, sondern relativ betrachten: Seit der WM 2006 in Deutschland hat die Fifa ihren WM-Umsatz nämlich um 150 Prozent gesteigert. Ich kenne kein Unternehmen, keinen Mega-Konzern oder Global Player, der das auch nur annähernd schaffen könnte oder würde; die Volkswirtschaftler würden von Hyperinflation reden. Nun gut: Startups schaffen solche Steigerungsraten. Aber sie schaffen das mit Umsätzen im fünfstelligen Bereich. Nicht mit den 6,5 Milliarden Dollar, die die Fifa für die Fußball-WM einnahm. Trotzdem wurde bei diesen Fußball-Festspielen auch eine Menge Geld gespart. Erraten Sie, wobei?
Natürlich: Bei den ansehnlichen Siegprämien für die Spieler der deutschen Nationalmannschaft. 350 000 Euro hätte jeder Spieler für die Verteidigung des Weltmeistertitels bekommen. 2014 waren es noch 300 000 Euro für den Titelgewinn. Doch auch hier ist die Steigerung atemberaubend: 1994 (Brasilien wurde Weltmeister) lag die Prämie für einen Turniersieg der deutschen Mannschaft noch bei 64 100 Euro.
Marketing-Rechte, also hauptsächlich Merchandising-Lizenzen, wurden für rund zwei Milliarden Dollar verkauft. Zum Beispiel auch an Adidas. Der Sportartikel-Hersteller stellt als Fan-Artikel auch die Trikots der Nationalspieler her. Droht dem Konzern wegen des beschämenden Vorrunden-Aus der Deutschen und dem daraus folgenden Einbruch bei den Trikot-Verkäufen die Bilanz-Krise? Nein, denn „Die Mannschaft“ ist nur eines von zwölf Teams, das bei Adidas unter Vertrag steht. Die ebenfalls von Adidas gesponserten Schweden waren ja deutlich erfolgreicher. Außerdem: Der Umsatzeinbruch bei den Trikots wird auf „nur“ rund 40 Millionen geschätzt. Nur zum Vergleich: Der gesamte Adidas-Konzernumsatz (2017) beträgt 21 Milliarden. Da kann man die Deutschland-Blamage vielleicht nicht sportlich, aber doch bilanziell als Sonderabschreibung verkraften. Außerdem beträgt der Umsatz der Fußball-Sparte bei Adidas lediglich noch rund zehn Prozent vom Gesamtumsatz. Der Schaden für den Konzern durch das, was der Kommentator des Deutschlandfunks als „Verwaltungsfußball“ bezeichnete, hält sich in Grenzen. Außerdem stammte der Turnierball wie in den Vorjahren wieder von Adidas und: Sah doch gut aus, oder?
Was hat nun der Gastgeber Russland von dem ganzen Spektakel? Natürlich zunächst den sportlichen Erfolg. Niemand hätte der Sbornaja vor Turnierbeginn zugetraut, was sie dann tatsächlich auf den Rasen zauberte. Eine Mannschaft, die buchstäblich bis zum Umfallen fightet und eine taktische Brillanz und Disziplin an den Tag legt, gegen die Deutschlands Fußballmillionäre wie ein lustloser Haufen Feierabend-Kicker (nichts gegen Feierabend-Kicker) wirkte – das sieht man heute selten im Sport. Das begeisterte. Nicht nur russische Fans. Der Image-Gewinn für das Land ist unschätzbar. Relativ gut zu schätzen sind dagegen die Kosten für das Spektakel.
Die Fifa-gerechte Renovierung der Stadien, der Ausbau von Straßen, Flughäfen, Krankenhäusern und Hotels wird auf rund zehn Milliarden Euro geschätzt – nach offiziellen Angaben. Die meisten dieser Milliarden sind keine Sunk Costs, keine vergeudeten Kosten, denn die ausgebauten Straßen bleiben ja weiter ausgebaut wie auch die renovierten Krankenhäuser. Investitionen in (genutzte!) Infrastruktur sind immer gut investiert (wenn sie Landesregierungen nicht für Regionalflughäfen verbraten, die niemand braucht). Das ist das Schöne an solchen Großveranstaltungen: Sie tun der Infrastruktur gut. Dauerhaft. Wenn die Infrastruktur genutzt wird.
In Sotschi und Rio ist das teilweise nicht der Fall: Da verfallen Stadien und Sportstädten, weil sie niemand mehr braucht und selbst das Geld für eine Umwidmung fehlt. Sie verfallen zu lassen ist immer noch billiger als sie zu heizen und instandzuhalten. Niemand hat behauptet, dass Großveranstaltungen über den Tag hinaus nachhaltig seien. Viele Kapazitäten sind schlicht Überkapazitäten. Wir Menschen haben nun mal einen Hang zum Verschwenderischen.
Die Tourismus-Manager jedoch sind frohen Mutes: Dank der Sympathie, die seit der WM dem Land und seinen freundlichen Gastgebern entgegenschlägt, rechnen sie in den kommenden fünf Jahren mit einer Steigerung der Buchungen um zwei bis drei Milliarden Euro. Das ist eine beeindruckende Zahl. Beeindruckender jedoch ist, was sich in Zahlen nicht auch nur andeutungsweise ausdrücken lässt und was der aktuellen Politik immer weniger zu gelingen scheint: Sport verbindet tatsächlich.