Das Paket-Dilemma

Weihnachten – ist vorbei? Nicht für die Paketdienste. Denn nach dem Fest rollt die Retouren-Lawine. So gigantisch sie auch ist, ist sie nur ein Teil eines viel größeren Paket-Dilemmas.

Gleichlautend der Titel einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC), die erst im Dezember erschienen ist: „Wege aus dem Paket-Dilemma.“ Welches Dilemma?

Das Haupt-Dilemma: Das Paketaufkommen wächst und wächst wie wild – nicht aber die Flotte der Pakettransporter oder das Heer der Paketboten. Geht auch gar nicht. Denn seit einigen Jahren wächst die Paketflut mit über 5% pro Jahr. Und 5% von circa 3,35 Milliarden Paketsendungen allein in Deutschland jährlich sind eine Menge. Für 2022 prognostizieren die Auguren 4,3 Milliarden Pakete – unvorstellbar.

Das meiste davon haben wir zu verantworten: Die B2C-Paketzustellungen, also vom Händler zum Endkunden, wachsen dank unseres Online-Shoppings jährlich mit knapp 10%. Was Firmen untereinander verschicken, nimmt dagegen lediglich mit 1,3% (2017) zu. Das Dilemma entsteht dadurch, dass die Paketflut schneller wächst als die Fahrzeugflotten und das Botenheer. Allein der Fahrermangel ist so restriktiv wie legendär: 45.000 LKW-Fahrer fehlen in Deutschland.

Ein weiteres Dilemma: Mit der steigenden Flut steigt der Umsatz der Paketdienste, aber auch deren Kosten – und beides nicht proportional. Die Kosten wachsen schneller. Deshalb nimmt das, was hängen bleibt, kontinuierlich ab. 2007 betrug der Gewinn pro Paket im Schnitt noch 6,22 Euro. Heute sind es nur noch 5,78 Euro. Der Unterschied erscheint gering – bis man bedenkt, welche immensen und sprunghaft steigenden Investitionen die Paketdienste mit dem schrumpfenden Gewinn finanzieren müssen.

Die Situation der Paketboten wird auch nicht dadurch besser, dass nicht nur immer mehr online bestellt, sondern auch immer mehr retourniert wird. Über Weihnachten zum Beispiel liegen die Retouren rund 40% höher als sonst. Das stresst. Wo doch der Stress zuvor schon heftig gewesen war: Jeder Paketbote muss im Durchschnitt immer mehr Zustellversuche pro dann tatsächlich erfolgter Paketzustellung unternehmen, weil immer weniger Empfänger zuhause sind, wenn er klingelt. Gleichzeitig erwarten wir aber genau das: super Service.

PwC hat tausend deutsche regelmäßige Online-Käufer gefragt, was sie von einer Zustellung erwarten und was sie für zusätzlichen Service zu zahlen bereit wären. Das Fazit der Befragung: Service und Flexibilität sind uns wichtiger als Schnelligkeit. 65% der Befragten würden am liebsten ein Zeitfenster von nur einer Stunde am Tag wählen können, innerhalb dessen sie beliefert werden wollen. Eine superschnelle Zustellung am Tag der Bestellung wünschen sich dagegen nur 26%. Mehr Service wird auch bei den Retouren gewünscht: 64% sähen es gerne, wenn sie an der eigenen Haustür die Retoure dem Paketboten übergeben könnten. 63% gaben an, für eine besonders umweltfreundliche Zustellung auch gerne mehr bezahlen zu wollen. Jüngere Befragte äußerten das häufiger als ältere. Kunden wollen mehr bezahlen? Das interessierte die Feldforscher besonders.

Sie fanden heraus: Für ein Zeitfenster ihrer Wahl würden die Befragten im Schnitt 2,40 Euro mehr bezahlen, für eine Belieferung noch am selben Tag 3,75 Euro mehr. Dass Kunden immer mehr Service erwarten und immer weniger bezahlen wollen, stimmt also zumindest nicht für diese Befragung: Den Befragten ist offensichtlich klar, dass mehr Service mehr kostet. Qualität ist nicht selbstverständlich.

Was in der Studie auch gefragt wurde: Hätten Sie gerne einen einzigen Dienstleister, der für alle Versender und Paketunternehmen die Auslieferung auf der letzten Meile übernimmt? Der Hintergrund ist klar: deutlich weniger Transporter in den Innenstädten, weniger Verkehr, weniger Stau, bessere Luft. Worauf tippen Sie? Stimmen wir dafür?

Erstaunlicherweise waren 67% der Befragten dagegen. Nicht, weil sie etwas gegen die Umwelt hätten, sondern weil sie befürchten, dass dann der Service schlechter werden und dass die Kosten steigen könnten wegen der fehlenden Konkurrenz auf der letzten Meile. Falls dieses Ergebnis generalisierbar ist: Service und Kosten sind uns also immer noch wichtiger als Umwelt und Luft in den Innenstädten. Typisch Mensch! Der Geldbeutel ist uns näher als die Luft, die wir atmen. So sehr sich die Zeiten ändern – es wäre schön, wenn auch wir uns endlich einmal ändern könnten, würden und vor allem wollten.