Rad statt Auto

Alle hacken auf dem Diesel herum. Dabei hätten wir das Problem mit der verpesteten Großstadtluft überhaupt nicht (abgesehen vom offensichtlichen Abgas-Betrug), wenn wir mehr mit dem Rad fahren würden.

Vielleicht nicht unbedingt jetzt, in der kalten Jahreszeit. Doch zum einen sind eigentlich nur die (Neben)Straßen in unseren Mittelgebirgen im Winter über längere Zeit verschneit. Und zum anderen: Der nächste Frühling kommt bestimmt. Wo erleben wir ihn?

Wie immer. Im Auto sitzend. Das heißt oft genug im Stau, mehr Stopp als Go. Dabei müsste das nicht sein. Denn laut Statistik ist etwa die Hälfte der mit dem Auto zurückgelegten Wege kürzer als 5 Kilometer: zur Arbeit, das Kind zur Schule fahren, Einkaufen, zum Sport. Vieles, was wir mit dem Auto fahren, könnten wir mit dem Rad zurücklegen. Das Umweltbundesamt schätzt, dass bis zu 30 Prozent aller PKW-Fahrten in Ballungszentren mit dem Rad gefahren werden könnten. Und gesünder obendrein.

Gesünder für die Großstadtluft, gesünder für den stau-befreiten Verkehr und besser für unsere eigene Gesundheit: Wir tun etwas für unsere Ausdauer, unsere Herz-Kreislaufgesundheit, unser Immunsystem, zeigen uns umweltbewusst und trend-settend und nehmen dabei auch noch ab – ohne mühsame Diät! Eigentlich wissen wir das alles längst. Warum radeln wir dann nicht öfter?

Eines der größten Hindernisse ist nicht der innere Schweinehund oder das Wetter, sondern weil sich die Mehrheit der Radfahrer nicht sicher fühlt im Straßenverkehr. Die jüngst aufflammende Diskussion um die allzu vielen, absolut vermeidbaren LKW-Rechtsabbieger-Unfälle ist lediglich ein trauriges Schlaglicht. Wenn wir mit dem Rad unterwegs sind, müssen wir uns mit Vehikeln messen, die deutlich mehr Knautschzone haben als wir. Das macht Angst. Begründete Angst.

Denn die Zahl der Verkehrstoten sank zwar von 2010 bis 2017 um 13 Prozent in Deutschland. Doch die Zahl der tödlichen Unfälle von Radfahrern blieb nahezu konstant. Das Statistische Bundesamt zählt 382 tote Biker (2017). An jedem Tag des Jahres stirbt im Schnitt also ein Radfahrer im Straßenverkehr. Rund 79 000 wurden verletzt. Jeder ist einer zu viel. Vor allem, wenn man bedenkt, dass so gut wie jeder Unfall vermeidbar ist. Eben auch durch bessere Sicherheit im Straßenverkehr. Das liegt hauptsächlich an der Infrastruktur. Ein Blick auf andere Länder bestätigt das.

Bei uns hierzulande beträgt der Anteil der Radler am Straßenverkehr 11 Prozent – in Holland dagegen 31 Prozent. Wobei in den Niederlanden Radfahrer zehnmal seltener verunglücken als bei uns. Warum? Die Antwort lautet wieder: Sicherheit und Infrastruktur.

Greenpeace hat ermittelt, dass zum Beispiel München pro Kopf und Jahr 2,30 Euro für Rad-Infrastruktur ausgibt. In der Landeshauptstadt der sparsamen Schwaben sind es bereits 5 Euro. Kein Vergleich zu den 11 Euro in Amsterdam, den 35 Euro in Kopenhagen, 70 Euro in Oslo oder gar 130 Euro in Utrecht. Die Rechnung ist einfach: Je mehr investiert wird, desto sicherer wird der Radverkehr, desto mehr wird geradelt. Wenn Radwege gebaut werden, kommen die Radler. Vor allem, wenn die Radwege als Radschnellwege oder Rad-Autobahnen gebaut werden.

Das sind Radwege, die mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit befahren werden können, weil Kreuzungen und andere Unterbrechungen weitgehend vermieden werden, mit gutem Fahrbahnbelag und breiter Fahrspur, die ein Überholen auch bei Gegenverkehr erlaubt. Solche Rad-Autobahnen machen das Radeln auch für Pendler mit 10 bis 20 km Streckenlänge attraktiv und lohnend. Werden Städte in Metropolregionen derart miteinander verbunden, haben alle was davon.

Auch der Hinweis auf das zu transportierende Gepäck zieht heute nicht mehr wirklich: Ein ordentliches E-Lastenrad ist schon zu einem Preis erhältlich, den Mountain-Biker für ein gut ausgestattetes Mountain-Bike ausgeben. Jedenfalls ist ein Rad jedweder Konstruktion billiger als ein Auto – in Anschaffung wie Unterhalt. Und erspart die Parkplatzsuche, die in Großstädten oft mehr Zeit kostet als Anfahrt oder Aufenthalt. Je sicherer das Radeln wird, desto mehr werden radeln.

Die nächste Kommunalwahl kommt bestimmt. Welche Partei macht sich stark für einen deutlichen Ausbau des Radwegenetzes? Das wäre doch mal eine Wahlempfehlung!

4 Kommentare zu „Rad statt Auto

  1. zum Thema RAD statt Auto

    komme heute 22.06.21 auf ihre Seite und stelle fest, dass 2019 der letzte Kommentar geschrieben wurde. Schade!!
    ich bin seit September2020, 69 Jahre, Rentner, ohne Auto und nutze seitdem mein TourenRad für: Einkaufen, Freunde die ich in 40-60Km Entfernung besuchen (teils mit Übernachtung) Kurztrips und tägliche Ausfahrten von etwa 20-40KM.
    ich Hab mir ne Rechnung aufgemacht: Kosten Auto/kosten RAD: Komme ich überall dahin wo ich möchte! Im Grunde ja, sollte es weitere Strecken kann ich mir ein Auto mieten. Nun ich werde solange es mir Freude und Spass bringt RADFAHREN! Gute Zeit da draussen JanM

    1. Lieber Jan Michael, genau so geht das! Sie sind ein wahres Vorbild, einmal ganz davon abgesehen: Besuche in 60 km Entfernung mit dem Rad? Sportliche Leistung! Sie zählen als augenfällige Vorteile Kosten, Freude und Spaß auf, ich möchte einen weiteren explizit nennen, den Sie implizit und in aller Bescheidenheit anschnitten: Radeln ist nicht nur gut für Klima, Luft und Umwelt. Das hält auch, jede Wette, superfit. Das wünsche ich uns allen. Evi Hartmann

  2. Seit über 30 Jahren arbeite ich in der gleichen Branche. Sehr früh durfte ich mich entscheiden in den Außendienst zu wechseln. Ein Grund dafür war und ist: „ich fahre gerne Auto“!

    Ich bin nicht besonders sportlich und wohne in einer leider etwas hügeligen Region. Was mich zur Entscheidung brachte, mir vor 10 Monaten ein E-Mountenbike (Fully) zu kaufen.
    Von meinem Motorrad habe ich mich auch aus finanziellen Gründen deshalb getrennt.

    Diesen Schritt habe ich bis heute nicht bereut. Mit viel Intusiasmus „bereise“, bzw. befahre ich seither unsere Region und stelle häufig fest, dass ich meine Heimat Spessart bisher nur bedingt kennengelernt hatte. Dies hat sich geändert und wird sich auch in Zukunft bessern.

    Nach wie vor bin ich gerne im Außendienst tätig und habe nicht erst seit einem Jahr großes Verständnis für Fußgänger und Radfahrer, im Straßenverkehr. Hinsichtlich der Forderung nach dem Ausbau von Fahrradwegen oder sollte man besser sagen eines Fahrrad Verkehrswegenetz, kann ich nur Unterstützen. Diesel und Abgas Diskussionen sind das eine. Die Tatsache, dass wir in Deutschland schon Jahre verkehrstechnisch Überlast(er)t sind, ein anderes.

    Ich habe die Hoffnung, dass unsere Nachkommen den Besitz und die Nutzung eines eigenen Autos nicht mehr als das höchste Ziel im Leben erFAHREN müssen. Es ist an uns, Werte vorzugeben, bzw. die, welche wir bisher vorlebten, zu korrigieren!

    Folgendes ist nicht ganz ernst gemeint:
    Fahrräder müssten viel, viel teurer werden. Außerdem sollten technische Fehler eingebaut werden, um große Diskussionen im Land auszulösen.
    Dies hätte zur Folge, dass Lobbyisten wahrscheinlich größeren Einfluss in der Politik hätten und Regierungen und Entscheider stärker auf diesen Markt zuhalten müssten.

    1. Lieber Jürgen!

      Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Erwerb und nachhaltigem Gebrauch Ihres E-Mountainbikes! So geht das. Was Ihre klugen Überlegungen zum erforderlichen Wertewandel angeht, kann ich Ihnen nur vollinhaltlich und aus ganzem Herzen zustimmen. Und über Ihren „nicht ganz ernst gemeinten“ Vorschlag habe ich so lachen müssen, dass ich nur sagen kann: Aus dieser ironischen Ecke heraus hat wirklich noch niemand das Problem in Angriff genommen. Grandios! Danke; das war zweifellos das humoristische Highlight des Tages.

      Herzliche Grüße,
      Evi Hartmann

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