Man muss nicht den Diesel verbieten, um die Luft in den Städten wieder sauber zu kriegen. Es geht auch klüger. In London zum Beispiel.
Dort testen der Automobilhersteller Ford und der Logistikdienstleister Gnewt Cargo derzeit ein leicht revolutionäres Konzept der Paketzustellung auf der letzten Meile. Ford stellt dabei die E-Transporter und die Software zur Verfügung. Kern des Konzepts: Anstatt dass der Transporter und sein Fahrer wie bisher üblich von Haustür zu Haustür zuckeln und die Sendungen der Reihe nach ausliefern, fahren beide lediglich bis zu einem vereinbarten Treffpunkt, wo sie ihre Päckchen und Pakete an viele private, zivile Hobby-Paketboten übergeben.
Diese sind ohnehin gerade auf dem Weg vom oder zum Büro, zum Einkaufen, in die Wohnung oder wohin und woher auch immer und nehmen die Sendungen auf ihrem Weg einfach mit zum Empfänger. Das ist im Prinzip das Konzept Uber (Private statt Professionelle), bloß mit Päckchen. Was soll das bringen?
Das deuten bereits zwei Zahlen an: In London sind täglich rund 300.000 große und kleine Lastwagen unterwegs. Jeden Tag. Wobei sich in den nächsten zehn Jahren die Anzahl der Paketsendungen verdoppeln soll. London hat schon jetzt ein Verkehrschaos. Wie soll man dann erst das nennen, was in zehn Jahren droht? Oder sollte man, um die Auto-Apokalypse zu verhindern, etwa ganze Stadtviertel einebnen, um Straßen auszubauen? Die Uber-Paketzustellung scheint angesichts dessen einen Versuch wert.
Die privaten Zusteller melden ihre täglichen Fuß- oder Radstrecken an MoDe:Link, die Software des Pilotprojekts. Diese ermittelt aus der Masse der gemeldeten Fußgänger- und Radlerbewegungen dann optimale Schnittpunkte mit dem jeweiligen Lieferwagen. Ford schätzt, dass ein Transporter mit nur vier freiwilligen Kurieren genauso viele Pakete zustellen kann wie fünf einzelne Transporter der herkömmlichen Art. Wobei die herkömmliche Art in London schon ziemlich grün ist: Die komplette Gnewt-Flotte besteht aus E-Transportern.
Wer also zum Beispiel auf dem Weg ins Büro ist, nimmt an seiner Metro-Endhaltestelle beim Transporter, sagen wir, drei Päckchen mit und bringt sie zu den KollegInnen ins Büro. Aktuell läuft der Test in London im kleinen Rahmen.
Sein großer Vorteil, so schätzen die Experten: Pro eingesetztem Transporter sind vier Lieferfahrzeuge weniger im Stadtverkehr unterwegs. Das bedeutet weniger Verkehrsaufkommen, weniger Staus und weniger Luftbelastung. Potenziell auch weniger Unfälle, weil damit die Verkehrsdichte reduziert wird. Die auf diese Weise ausgelieferten Sendungen kommen schneller an, weil Fußgänger und Radfahrer im Gegensatz zu Autos nicht im Stau stecken bleiben können. Schließlich spart dieses Verfahren auch Kosten.
Denn die Hobby-Kuriere beziehen kein Gehalt, sondern lediglich eine Entschädigung. Außerdem müssen angestellte Lieferfahrer auch bezahlt werden, selbst wenn sie kumuliert stundenlang im Stau stehen. Diese Art der Belieferung der letzten Meile ist also schneller und nachhaltiger und nutzt die Gegebenheiten der urbanen Mobilität auf nachgerade geniale Art und Weise (warum kommt erst jetzt jemand darauf?). Wie steht es mit der Sicherheit?
Zum einen sind die Sendungen versichert, zum anderen regelt sich das via Bewertung, wie wir sie von allen Lieferdiensten kennen: Wer sich einmal an einer Sendung bedient hat, wird sicher stark heruntergewertet und kaum mehr eingesetzt. Denn das System ist durchgängig transparent: Man sieht immer, wer gerade womit wohin unterwegs ist. Wo liegt der Haken?
Bei einer anderen Zahl: Im Moment liefert ein Transporter circa 100 Sendungen am Tag aus. Die Frage ist: Kriegt man so viele Hobby-Zusteller zusammen, die sich gerade auf dem passenden Weg befinden? Bei Uber und anderen Fahrdiensten ist das kein Problem, wie man hört. Doch selbst wenn man nicht genügend Paketläufer zusammenbekommen sollte: Soll man es von vorne herein bleiben lassen? Einen ernsthaften Versuch sind die Luft in den Städten, der Verkehr und der Schutz der Umwelt doch wohl wert. Es gibt nichts Gutes, außer man versucht es.
Nach London soll der Test auch auf weitere Städte ausgeweitet werden. Wobei die Software recht intelligent vorgeht: Sie berücksichtigt die aktuelle Verkehrslage und passt die Routen flexibel dieser Lage an – oder die Wahl des jeweiligen Kuriers.
Und noch ein Vorteil: In fast jeder großen Stadt ärgern wir uns doch jetzt schon mächtig über die Transporter, die einfach in der zweiten Reihe stehen bleiben, um für endlos scheinende Minuten „mal schnell“ zu entladen – schlicht, weil sie sonst keinen Platz zum Halten finden. Und hinter ihnen staut sich die Schlange der hupenden PKW’s. Wenn dank der neuen Methode deutlich weniger Transporter in den Städten unterwegs sind, dürfte sich auch dieses Problem mildern, wenn nicht ganz verschwinden.