Fliegen Sie noch?

Von allen Beförderungsmitteln – Auto, Schiff, Rad, Metro, Zug, Flugzeug – ist welches Verkehrsmittel das schmutzigste? Bezogen auf den Ausstoß von Treibhausgasen pro Person und Kilometer?

Als umweltbewusste Menschen wissen wir es, denn es gehört zum kleinen Einmaleins des Umwelt- und damit unseres Zukunftsbewusstseins. Viele tippen zwar spontan auf das in letzter Zeit vielgescholtene Auto. Dabei ist es das Flugzeug. Und zwar mit Abstand. Pro Kopf und Kilometer stößt an Treibhausgasen aus:

  • Das Flugzeug: 211 Gramm
  • Das Auto: 142 Gramm
  • Ein Zug: 41 Gramm

Das sind klare Verhältnisse (wir ignorieren für den Moment, dass mit dem Auto viel mehr Menschen unterwegs sind als mit dem Flieger). Trotzdem boomen Urlaubsferntourismus und Flugaufkommen. Warum? Könnten wir nicht etwas weniger fliegen? Könnten wir Verzicht üben bei der energieintensivsten Art des Reisens? Und wenn wir es schon nicht selber schaffen: Könnten wir dazu gebracht werden?

Indem zum Beispiel der Staat Fliegen besteuert, beispielsweise mit der momentan vieldiskutierten CO2-Steuer. Oder indem er Kerosin besteuert, was das Reisen teurer und damit etwas weniger attraktiv macht. Gleichzeitig wird die Bahn attraktiver. Andere Länder machen das bereits. Frankreich verlangt neuerdings einen Aufschlag auf Flüge. Die Einnahmen daraus sollen dem Ausbau der umweltfreundlichen Bahn zugutekommen.

Aktuell kosten internationale Flüge hier in Deutschland auch noch keine Mehrwertsteuer: gut für Reisende, schlecht für unsere Umwelt. Auch ist Kerosin von der Energiesteuer ausgenommen. Immer noch. Fliegen ist im Vergleich auch deshalb so preisgünstig, weil der Staat es über seine fiskalische Zurückhaltung subventioniert. Früher mag das einmal sinnvoll gewesen sein, damit sich auch weniger gut Verdienende einen Flug leisten können. Heute können sich das nicht einmal mehr Großverdiener leisten, denn von Klima und gemeinsamer Umwelt ist immer weniger übrig, was man noch verheizen könnte.

Deshalb erheben die Eidgenossen inzwischen eine CO2-Steuer auf alles, was CO2 ausstößt, auch auf Flüge. Die Einnahmen werden Bürgern wieder rückvergütet oder in Programme zur emissionssenkenden Gebäudesanierung gesteckt. Selbst an die Transparenz denkt man in der Schweiz: Auf dem Kassenzettel beim Einkauf steht, wieviel Umweltsteuer für den Einkauf besteuerter Produkte einbehalten wird. So sieht der Konsument, wie teuer sein Einkauf der Umwelt zu stehen kommt.

So viel zu dem, was der Staat tun könnte. Was kann die Technik tun? Viele fragen sich: Wir haben das E-Auto, den E-Scooter, den E-Laster, das E-Bike, das E-Lastenrad und den E-Roller – warum gibt es eigentlich noch kein umweltschonendes E-Flugzeug? Weil zum jetzigen Stand der technischen Entwicklung eine Batterie pro Kilogramm Masse lediglich 3 Prozent der Leistung eines Kilogramms Kerosin zur Verfügung stellen kann. Ein Passagierflugzeug hätte also nicht genügend Leistung, um abzuheben. Oder es wäre, mit ausreichend Batterien ausgestattet, viel zu schwer, um in der Luft zu bleiben. Erst wenn Akkus in etwa dieselbe Leistungsdichte entwickeln wie Kerosin, ist das E-Flugzeug eine Option.

Eine Alternative wären Flugzeuge mit Gasturbinen. Man könnte sie als Hybrid konstruieren: Zum Start bräuchten sie Kerosin, aber im Flug könnten sie mit Gas arbeiten. Studien bescheinigen solchen Hybriden 20 bis 40 Prozent weniger Treibstoffverbrauch und damit weniger Umweltbelastung (im Flug). Einige Unternehmen schätzen, dass solche Flugzeuge das Fliegen bis 2050 stark prägen könnten. Leider ist es bis dahin zu spät, um die Klimakatastrophe noch zu verhindern.

Auch Ökosprit wäre eine Option. Sein Problem ist, dass er gewonnen werden müsste, ohne dass Regenwälder dafür abgeholzt werden. Das machen wir nämlich gerade mittelbar durch unser Konsumverhalten, weil wir wie verrückt Palmöl und Avocados konsumieren. Die Produzenten dieser beiden Erzeugnisse holzen für deren Anbau Regenwälder ab, die besonders viel CO2 binden, um Ökosprit zu gewinnen, damit Flugzeuge weniger CO2 ausstoßen? Absurd.

Man könnte auch die Aerodynamik der Flugzeuge verbessern. Dann verbrauchen sie weniger Treibstoff. Rein theoretisch. Denn rein praktisch macht Kerosin lediglich 20 Prozent der Gesamtkosten einer Fluglinie aus. Also warum sollte sie neue Flugzeuge mit besserer Aerodynamik ordern? Zum Beispiel, weil diese auch leiser sind und damit mehr Nachtflüge möglich wären. Das könnte einige Fluglinien überzeugen. Doch selbst dann sind diese neuen Flugzeuge noch nicht entwickelt und gebaut und uns geht langsam die Zeit aus. Unsere Uhr ist so gut wie abgelaufen. Damit bleibt es doch wieder an jenen hängen, die sofort und relativ unkompliziert etwas ändern, auf Flüge verzichten könnten: an uns.

Allein 230.000 Flüge zwischen Bonn und Berlin gehen im letzten Jahr auf das Konto von Regierungsmitgliedern. Wissen die nicht, dass es auch Videokonferenzen gibt? Und wie steht es mit dem Boom bei den Urlaubsfernreisen? Was ist wichtiger: Protzurlaub oder unseren Kindern und Enkeln einen kümmerlichen Rest Erde übrig zu lassen? Bei solchen Fragen regt sich das schlechte Gewissen?

Weshalb immer mehr Reisende in Kompensationszahlungen flüchten. Man geht auf eine entsprechende Webseite, gibt seine Flugreisedistanz ein, bekommt das resultierende CO2 angezeigt und kann dieses kompensieren, indem man in ein bestimmtes Umweltprogramm investiert, bei dem zum Beispiel so viele neue Bäume gepflanzt werden, dass der eigene CO2-Fußabdruck der geplanten Reise verschwindet. Damit reist man dann klimaneutral: Der Dreck, den man verursacht, wird von den gekauften Bäumen wieder weggemacht. Klingt gut? Ja, aber auch nein. Denn dadurch wird der Dreck ja nicht reduziert, sondern lediglich kompensiert.

Wenn wir schlicht und einfach weniger fliegen würden, wäre das Problem kleiner. Selbst wenn wir weniger weit fliegen würden. Doch gerade im privaten Umfeld scheint es derzeit noch eine Statusfrage zu sein, im Urlaub möglichst oft und/oder weit wegzufliegen. Wenn der Nachbar nach Patagonien zum Wandern fliegt, kann man sich bei der nachträglichen und distinktionsbildenden Urlaubsdiskussion unter Nachbarn, in der Verwandtschaft und am Arbeitsplatz allein schon aus Statusgründen keinen Urlaub im Bayrischen Wald leisten. Nicht einmal dann, wenn der Bayrische Wald verglichen mit dem Fernreisestress sehr viel erholsamer ist. Es geht uns im real herrschenden Gesellschaftsentwurf weniger um Erholung als um „Mein Haus, mein Auto, meine Fernreise!“ Manchmal beschleicht mich der Verdacht, wir hätten die Klimakatastrophe verdient.

Wer auch für den nächsten Urlaub und die Urlaube seiner Kinder und Kindeskinder noch etwas Umwelt und Klima übriglassen möchte, sollte beim Fernurlaub auf die Bremse treten. Nicht beim Urlauben, aber beim Verkehrsmittel und bei den Distanzen. Weiter ist nicht besser. Weiter ist nicht schöner. Weiter ist schlechter für die Umwelt – und wir haben mittlerweile deutlich mehr Urlaub als Umwelt. Der Urlaub kommt jedes Jahr wieder. Bei Klima und Umwelt können wir uns nicht mehr so sicher sein. Fliegen schadet.

Fliegen schadet pro Kopf und Kilometer mehr als jedes andere Transportmittel. Und das, obwohl – was schätzen Sie, wieviel Prozent der Weltbevölkerung fliegt überhaupt? Die Hälfte?

Ein Drittel? Es sind (laut BUND) lediglich 10 Prozent der Weltbevölkerung. Könnten diese 10 Prozent sich mal bitte etwas mäßigen?