Wann kommt das autonome Auto? Kommt es überhaupt? Wann ist die Künstliche Intelligenz so weit entwickelt, dass sie nicht nur auf Zuruf Musik im Wohnzimmer abspielen kann? Und was ist eigentlich mit Blockchain und Bitcoin, die medial als The Next Big Thing gefeiert werden – doch in der Praxis tut sich wenig?
Obwohl ständig neue Technologien entwickelt und diskutiert werden, fällt eine Vorhersage schwer, was wann kommt und ob es sich überhaupt durchsetzen wird. Man kann nie sagen, ob und wann eine neue Technologie einen Markt erobert. Viele Technologien erscheinen irgendwann am Horizont, werden hochgejubelt, aber erreichen nie Marktreife. Über fliegende Autos wird zum Beispiel schon seit den 60er-Jahren enthusiastisch geredet. Es gibt auch immer wieder Prototypen – aber von der Serienproduktion ist das Flugauto heute noch so weit entfernt wie in den 60er-Jahren. Niemand weiß, ob es überhaupt jemals kommen wird.
Auch beim Smartphone wusste das vorher niemand. Immerhin war mit Nokia der damalige Marktführer der prominenteste Vertreter der Position „Das setzt sich nie durch!“ Hinterher waren alle schlauer – aber eben erst hinterher. Immer wieder kommen neue Technologien auf, Start-ups propagieren sie enthusiastisch, nur um bald darauf mit dem enthusiastisch Propagierten unterzugehen. Die meisten neuen Technologien setzen sich nie durch. Es sind immer nur ganz wenige, die dauerhaft bleiben.
Das ist das zentrale Problem mit der technologischen Entwicklung – aus Sicht der Unternehmer: Wenn 20 neue Technologien auf dem Innovationsradar erscheinen – worauf soll man setzen? Für alle 20 reicht das Geld nicht. Es ist fast so wie auf der Trabrennbahn: Auf welches Pferd soll man setzen? Jedes Unternehmen möchte gerne Erstanbieter-Vorteile einheimsen, ohne mit einer Fehlinvestition allzu viel zu riskieren. Die implizite Maxime lautet deshalb: Investiere genug, damit du auch gewinnen könntest, aber nicht zu viel, damit du nicht zu viel verlierst. Und trotzdem gibt es immer wieder Unternehmer, die alles auf eine Karte setzen und dabei alles verlieren. Wer möchte so ein Risiko tragen?
Glücklicherweise gibt es immer noch Unternehmer und Entrepreneure, die „ins Risiko gehen“. Denn sonst würden wir immer noch im Neandertal im Schein der Talglampe in unserer Höhle sitzen. Sonst würde auch keiner wagen, was zum Beispiel gerade die Autohersteller wagen: mit Milliardenaufwand die Werke für Verbrenner-Motoren schließen und neue Werke für E-Motoren bauen. Und wenn sich in sieben oder zehn Jahren dann doch die Brennstoffzelle durchsetzt? Dann sind diese Milliarden verloren.
Tauchen neue Technologien auf, tun sie das in der Regel in drei Phasen:
- Entstehungsphase: Die Technik erlangt Bekanntheit, Prototypen werden gebaut, beim E-Auto zum Beispiel welche mit noch sehr begrenzter Reichweite.
- Implementierungsphase: Die Machbarkeit der Technologie wurde unter Beweis gestellt und die nötige Infrastruktur wird aufgebaut; beim Elektro-Auto derzeit das Ladestellen-Netz.
- Vollständige Übernahme: Die neue Technologie ist nun voll einsatzfähig und ersetzt ihre Vorgänger-Technologie. Durch das Wachstum sinken die Preise, was zu weiterem Wachstum und schließlich zur Marktdurchdringung führt.
Wie unschwer zu erkennen ist, befinden wir uns in Europa mit dem E-Auto derzeit in der zweiten Phase beim Aufbau der Lade-Infrastruktur. Trotzdem weiß heute niemand, ob und wann die Elektrifizierung als ein Teil eines saubereren, diversifizierten Automobilmixes den Übergang in die dritte Phase schafft.
Ein interessanter Unterschied liegt zwischen Phase 1 und 2: Während viele Innovationen aus der scharfen Konkurrenz zwischen Unternehmen erwachsen (jeder will besser sein als der andere), ist für die vollständige Implementierung von neuer Technologie und neuer Infrastruktur nicht die Konkurrenz, sondern die Kollaboration am besten geeignet. Denn Phase 2 kostet richtig viel Geld, Personal, Know-how und Ressourcen. Wer sich mit anderen zusammentut, schafft das eher und schneller.
Manchmal hängen auch an der Frage, wann sich eine neue Technologie großflächig durchsetzt, gravierendere Konsequenzen. Bei der E-Mobilität ist zum Beispiel weniger die Frage von Bedeutung, wann wir alle eine Lade-Steckdose in der Garage oder am Stellplatz haben werden, als die Frage: Was kommt schneller? Die flächendeckende E-Mobilität? Oder die Klimakatastrophe? Das Problem ist mithin nicht, dass manche neue Technologie sich durchsetzt und eine andere nicht. Das ist nahezu ausschließlich ein Problem der Wirtschaft.
Ein Problem der gesamten Menschheit und insbesondere ihres Fortbestandes ist das Problem, dass jene neuen Technologien, die uns eigentlich retten sollen, vielleicht zu spät kommen. Kann sich das E-Auto tatsächlich noch vor dem Klima-GAU am Markt durchsetzen? Wir werden es erleben. Hoffentlich.