Der Tag der Verpackung

Am 10. Juni war Tag der Verpackung – aus im Sinne des Wortes gewichtigen Gründen: Allein wir Deutschen verursachen jährlich 18,9 Millionen Tonnen Verpackungsmüll (2018). Eine unvorstellbar große Zahl, die unseren allfälligen Lippenbekenntnissen zur Nachhaltigkeit Hohn spricht. Wir erleben zwar derzeit ein moderates Wirtschafts-, doch ein megalomanes Müllwachstum: 1996 waren es „nur“ 13,6 Millionen Tonnen. Wir machen jede Menge Müll und werden immer besser darin, am eigenen Ast zu sägen.

Denn alles, was wir in die Tonne treten, musste vorher hergestellt werden und hat dabei Bäume, Ressourcen, Energie und Wasser verbraucht und teilweise verschmutzt und jede Menge CO2 dabei ausgestoßen.

Natürlich kann niemand die Milch in der hohlen Hand einkaufen oder wie vor einer Generation noch in der Milchkanne. Verpackung ist generell gut und nötig, weil sie unverzichtbare Funktionen erfüllt; als da sind: Dosier- und Portionierungsfunktion, Aufbewahrungs-, Handhabungs-, Werbe- und Informationsfunktion. Und gleichzeitig erledigen 53 Prozent aller Verpackungen ihren Job in Großgewerbe, Industrie und Handel. Ohne Verpackung gäbe es beispielsweise keinen sicheren Transport zwischen Lieferanten und Herstellern und damit auch keine reibungslose Produktion dessen, was am Ende dabei herauskommt.

Damit sind wir Konsumenten immer noch für einen Großteil des Mülls verantwortlich, für den wir uns mächtig ins Zeug legen: Letztes Jahr haben rein rechnerisch 95 aller Bundesdeutschen Waren online erworben – und das geht prinzipiell nicht ohne Verpackung. Mit jedem Online-Kauf schädigen wir potenziell Klima, Ressourcen und Nachhaltigkeit, indem wir uns ungezügelt selbst zumüllen. Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass wir bald vom Müllberg begraben werden.

Denn immerhin 69 Prozent der Verpackungsabfälle (2017) werden hierzulande recycelt und 97 Prozent davon auch wiederverwendet. Wir nähern uns damit einem Ideal an: der Kreislaufwirtschaft. Dafür sorgt auch das Verpackungsgesetz, das erst 2019 verabschiedet wurde. Es gibt Recycling-Quoten für die unterschiedlichsten Stoffe vor. Diese werden natürlich nur dann erreicht, wenn wir intelligent genug sind, den Müll, den wir verursachen, auch korrekt zu trennen. Daran hapert es, wie zum Beispiel die Initiative „Störstoffe im Biomüll“ zeigt, die derzeit in einigen Landkreisen läuft.

Im Biomüll landen seit Jahren massenhaft Abfälle, die eben nicht bio sind: Plastiktüten, Staubsaugerbeutel, Alu-Espresso-Kapseln oder „kompostierbare“ Folienbeutel, die sehr viel langsamer verrotten als deren Inhalt und die von den Sortier-Robotern nicht von Plastiktüten unterschieden werden können.

Manche Verbraucher schaffen es auch nicht, simple Joghurtbecher so zu entsorgen, dass sie ihre Ummantelung aus Pappe abmachen, ins Altpapier tun, und den übrigbleibenden Plastikbecher in den gelben Sack oder die gelbe Tonne geben. Weil sie noch nicht bemerkt haben, dass viele Joghurtbecher seit einigen Monaten umweltschonend aus dieser Kombination bestehen. Und weil sie ebenfalls noch nicht bemerkt haben, dass viele Hersteller vermehrt wieder Joghurt in Glasbecher und Mineralwasser in Glasflaschen abfüllen, weil das durchgerechnet nachhaltiger ist. Mit der relativ wenig anspruchsvollen Mülltrennung sind viele von uns kognitiv überfordert. Diese Peinlichkeit an Bildungsversagen respektive „Nach-mir-die-Sintflut“-Attitüde muss man sich mal vorstellen. Was leicht fällt.

Denn wir alle leben mit der mehr oder weniger stark ausgeprägten Tendenz, das Denken einzustellen, sobald der Joghurt ausgelöffelt ist. Was gar mit unserem Müll passiert, unterliegt komplett der Verdrängung. In Zeiten der zerstörten Umwelt, der zugemüllten Meere, der Klimakrise und der verpesteten Stadtluft reicht das nicht mehr für eine Mitgliedschaft im Homo Sapiens-Club. Es reicht weder für die Umwelt noch für unsere Zukunft, geschweige denn für ein ruhiges Gewissen. Wir können erst dann ein ruhiges Gewissen genießen, wenn wirklich aller Verpackungsmüll, den wir so enthusiastisch produzieren, durchgängig sortenrein getrennt, komplett recycelt und wiederverwendet wird.

Wenn zumindest die Verpackung komplett als Kreislaufwirtschaft funktioniert und wir nicht länger zum Beispiel 1 Million Tonnen unserer Plastikabfälle „exportieren“; unter anderem in Länder, wo die Ärmsten der Armen dann auf oder im Schatten der himmelhohen Müllberge leben und auf erbärmliche Weise unserem Wohlstandsmüll noch irgendwelche brauchbaren Krumen abjagen. Natürlich können wir weiter unserem beliebten Lifestyle-Motto „Shop ‘till you drop!“ frönen. Oder wir bestellen, konsumieren, entsorgen und mülltrennen mit gutem Gewissen. Wir haben die Wahl.