Und hier eine neue Runde unseres beliebten Ratespiels „Rate deinen Müll!“: Welche Menge Verpackungsmüll konsumieren wir pro Kopf und Jahr? Sie kommen nie drauf.
50 Kilo? 100? 180?
Wie gesagt: Wer da draufkommt, kommt sicher aus der Entsorgungslogistik. Es sind 277 Kilo (2019). Im Schnitt. Das heißt: Viele von uns machen bedeutend weniger Müll – andere bedeutend mehr. Das sind jene, die meinen: „Was hat der Müll denn mit dem Klima zu tun?“ O sancta simplicitas. Wie um alles in der Welt schaffen wir es bloß, so viel Müll zu verursachen?
Das beantwortet zum Teil die Differenzierung des Verpackungsmülls nach Müllsorten. Den größten Anteil an den 277 Kilo haben Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton. Natürlich. Die meisten Online-Bestellungen kommen ja entweder im Paket-Karton oder im Papp-Umschlag. Hier beginnt das Elend.
Es gibt bekannte Versandhäuser mit Millionen-teurer TV-Werbung, bei denen man fast schon regelhaft zehn auf einmal bestellte Artikel in fünf Sendungen bekommt; jede einzelne schön verpackt. Sowas von ungrün. Natürlich würde es mehr Aufwand machen, sprich Kosten verursachen, wenn man für eine Bestellung mit X Artikeln nur eine Sendung ausliefern würde. Aber ist das jetzt das ausschlaggebende Argument? Etwa in der Art: „Die Klima-Katastrophe kostet uns bedeutend mehr – aber sie erscheint (noch) nicht in unserer Quartalsbilanz!“ Wer killte das Klima? Die Quartalsbilanz.
Folgen wir dieser Versandlogik weiter und packen die Sendung auf, dann finden wir die bestellten Artikel nicht nackt und bloß drin liegen, sondern in einer eigenen Verpackung, meist aus Plastik. Plastik nimmt entsprechend Platz 2 auf der Verpackungsmüll-Hitliste ein. Danach folgen Glas und Holz. Aber aus Protest gegen diesen Müllberg klebt sich keiner am Asphalt fest. Und keiner nimmt sich am Jahreswechsel ernsthaft vor: Im neuen Jahr werde ich weniger Verpackungsmüll produzieren! Das Klima retten immer nur die andern. Das soll sich jetzt ändern.
Denn der Gesetzgeber nimmt ab 1.1.2023 den Einzelhandel in die sogenannte Mehrwegangebotspflicht. Essen und Getränke dürfen noch wie üblich angeboten werden, müssen fürs Außer-Haus-Geschäft aber ergänzend auch in Mehrweggefäßen offeriert werden. Beispiel Kaffee to go: Darf weiterhin im Plastik-ex-und-hopp-Becher über den Tresen gehen, muss aber auch in Mehrweggefäßen angeboten werden. Das machen viele Coffee Shops bereits. Der Kaffeetrinker reicht seinen eigenen, mitgebrachten Becher übern Tresen und lässt ihn befüllen. Oder er kauft seinen Kaffee gleich in einem Mehrwegbecher des Pfandsystems des konkreten Händlers.
Oder ist das ein schönes Beispiel für Stage One Thinking, wie das Thomas Sowell nennt: nur den ersten Schritt gedacht, nicht bis zum Ende durchdacht. Denn warum sollte ich den Pfandbecher denn überhaupt zurückgeben? Ich weiß: Sie und ich, weil es das Richtige ist, Umwelt, Klima und Ressourcen schont. Doch für viele andere Menschen ist das ein Weichei-Argument. Nämlich für jene, die auch E-Scooter zu Tausenden in die öffentlichen Rabatte schmeißen, anstatt sie zurückzugeben. Oder die ihren Müll wegschmeißen, wo sie grad gehen und stehen. Viele Klimaretter-Maßnahmen gehen davon aus, dass die meisten Menschen das Klima retten wollen. Wäre das so, wäre es längst gerettet. An die Vernunft des Menschen glaube ich erst, wenn sie keine SUV’s mehr fahren. Schlimmstenfalls wird das neue Mehrwegangebotspflichtgesetz nach sechs Monaten novelliert, um den externen Effekt der Unvernunft des Menschen zu internalisieren.
Auch auf den Getränkedosen ist Pfand und wie fleißig wir sie zurückgeben, könnten wir alle sehen, wenn wir gelegentlich in öffentliche Mülleimer blicken würden. Oder in Blumenrabatte, öffentliche Parks oder den Umkreis jeder Schule. Letzteres ist besonders pikant: Freitags auf die Klima-Demo, aber die Dose oder Pfandflasche wandert in den Müll oder auf den Rasen.
Dabei könnte exakt dies die Rettung für Klima und Ressourcen sein: Rückgabe, Kreislaufwirtschaft, Recycling. Wie gut das funktioniert, sehen wir bei Altpapier und Pappe: Das wandert – je nach Bundesland – in die Blaue Tonne oder geht in die Altpapiersammlung und gibt dann gutes neues Papier. Müssen erst sämtliche Ressourcen erschöpft sein, damit wir Kreislaufen lernen?