Haben Sie an Silvester geballert – oder nicht? Wenn ja: Mit Nachhol-Effekt? Während Corona war das Feuerwerk ja verboten. Muss man sich mal vorstellen: Entspricht praktisch einem vorübergehenden Berufsverbot.
In normalen Jahren importieren wir 40.000 Tonnen Feuerwerkskörper – und verballern sie – plus einige Tonnen aus heimischer Produktion. Vor Corona wurden dabei rund 130 Millionen Euro Umsatz im Jahr gemacht, während Corona ging dieser auf circa 20 Millionen zurück. Das ist ein Markteinbruch, wie ihn kaum eine andere Branche erlebte. Und weil das Argument ständig bei staatlicher Verschwendung angebracht wird, entlehnen wir es kurz für hier: Was könnte man mit 130 Mio. Euro alles Sinnvolles anfangen?
Allen Tafel-Kunden und -Kundinnen ein Jahr lang genug zu essen geben, zum Beispiel. Oder einige Hundert Therapieplätze mehr schaffen für die Kinder der Post-Corona-Epidemie an psychischen Störungen (die ebenfalls keinen interessiert). Oder einen Fahrdienst für Senioren und Seniorinnen einrichten, damit diese einmal die Woche raus aus der Wohnung und rein ins Leben kommen. Oder Alleinerziehenden etwas Geld an die Hand geben, damit diese wieder ihre Wohnung heizen können. Oder … Es gibt so viel Sinnvolleres, als 130 Millionen binnen rund 20 Minuten in Rauch und Asche aufgehen zu lassen. Einerseits.
Andererseits ist die Knallerei ein Extrembeispiel für Extremlogistik: Verkauft werden dürfen Böller und Raketen nämlich nur an drei Tagen im Jahre. Von 29. bis 31. Dezember also müssen Lager und Regale im Einzelhandel proppenvoll sein. Jeder ausgefallene LKW – Stichworte Krankenstand und Fahrermangel – kann für kleinere Hersteller zur existenziellen Bedrohung werden. Diese Restriktion ist aus der Landwirtschaft bekannt: Wie die Bauern, so können auch die Feuerwerker nur an ganz bestimmten Tagen im Jahr „ernten“. Die Ernte eines ganzen Jahres in nur drei Tagen. So umstritten die Knallerei auch ist: Das ist eine logistische Meisterleistung und eine ganz besondere Variante von Just in Time. Pünktlichkeit hat oberste Priorität.
Planung, Auftragsvergabe und das Nachhalten der rund 30.000 Auslieferungen vor Silvester müssen auf den Punkt genau erfolgen. Und das bei den aktuellen Disruptionen der Lieferketten und dem vor Weihnachten im letzten Jahr astronomischen Krankenstand in fast allen Branchen. Wenn 90 Prozent des Jahresumsatzes in drei Tagen eingefahren werden müssen, sind Lieferprobleme nicht erlaubt. Das läuft dann wie ein Schweizer Uhrwerk, da läuft nichts schief.
Natürlich haben die deutschen Hersteller die Diskussion um Nachhaltigkeit mitbekommen und verlautbaren, dass sie inzwischen in weiten Teilen ein biologisch abbaubares und daher umweltfreundliches Feuerwerk liefern, dessen Nachhaltigkeit völlig von der aktuellen Diskussion überdeckt wird.
Denn die aktuelle Diskussion entzündet sich vor allem an der Sinnhaftigkeit. Umfragen zeigen den Anteil der Deutschen, die das alles für wenig sinnvoll halten, bei circa 40 Prozent. Mit den üblichen Gründen: Feuerwerk ist praktische eine Klimakatastrophe im Kleinformat, die eine irre Feinstaubbelastung auslöst. Am frühen Neujahrsmorgen sind jedes Jahr die Notaufnahmen überlastet mit Hand-, Gehör-, Augen- und Gesichtsverletzungen. Einmal ganz von der Riesensauerei an Abfall abgesehen, die oft jene Nachbarn eines Viertels am Morgen danach wegräumen müssen, die überhaupt nicht geknallt hatten. Und die Stadtreinigung.
Hunde, Katzen und Vögel werden durch die Knallerei traumatisiert. Menschen im Seniorenheim wie auch Kleinkinder. Babys wachen schreiend auf. Aus all diesen Gründen halten viele Menschen, erstaunlicherweise jedoch nicht die Mehrheit, die Knallerei für unangebracht. Andere meinen, dass man sich auch in diesen Zeiten nicht alles verbieten lassen sollte und ein Recht auf ein wenig Spaß und Unfug hat. Was meinen Sie?
Natürlich ist die Frage berechtigt ob es sinnvoll ist Geld in die Luft zu jagen für Feuerwerk und Böller. Ich hatte als Kind die Möglichkeit mit meinen Eltern mich am Silvesterfeuerwerk zu erfreuen und vermittelt bekommen wie man mit Feuerwerk umgeht.
Als Erwachsener habe ich einige Jahre mitgeböllert. Danach wollte ich dafür kein Geld mehr ausgeben. Die Einstellung ist bis heute geblieben.
Ich käme jedoch nie auf die Idee, weil ich kein Feuerwerk abbrennen lasse, anderen Menschen verbieten zu wollen, sich am Feuerwerk zu erfreuen.
Wobei verbieten und vorschreiben was wir dürfen und künftig nicht mehr dürfen, liegt ja im Trend der Zeit. Was mir jedoch nicht gefällt.
Lieber Norbert – klar: Verbieten geht gar nicht, denn das würde bedeuten, dass derjenige, der verbietet, demjenigen, dem er etwas verbietet, gar keine Vernunft mehr zutraut und das wäre ein arger Verlust. Vielleicht wäre ein gangbarer Kompromiss: Kommunales Feuerwerk aus einer Hand, wie es bereits in einigen Städten praktiziert wird. Kracht bedeutend heftiger, da professionell, kostet aber weniger an Geld und Schäden und macht allen Spaß. Evi Hartmann