Internet oder Innenstadt? Wo kaufen Sie ein? Die Medien machen ja gerne einen Kampf „David gegen Goliath“ aus der Frage und kassandern unheilschwanger den „Tod der Fußgängerzonen“. Das war vielleicht ganz, ganz früher so – also vor knapp drei Jahren, zu Zeiten von „Multi Channel Shopping“. Heute ist das schon wieder anders.
Heute haben wir Omni Channel („multi“ – viele, „omni“ – alles): Alles geht. Ich muss nicht mehr zwischen online und echt trennen. Alles fließt ineinander. Ich bestelle zum Beispiel morgens in der S-Bahn per Handy 20 Grill-Spieße beim Fleischer, weil meine WhatsApp-Gruppe für heute Abend angesichts des überraschend schönen Wetters spontan bei uns im Garten einfallen wird und grillen möchte. Und nach Büroschluss fahre ich beim Fleischer vorbei und hole das online bestellte Grillgut ab. Dieses Click & Collect (auch Click & Reserve genannt) funktioniert inzwischen auch bei vielen Buchläden, Elektrofachgeschäften, Möbelhäusern, Boutiquen, Sport- und Lebensmittelfachgeschäften. Online oder offline? Beides.
Beides macht inzwischen nicht nur der stationäre Handel, der überleben möchte, sondern auch etliche der Online Pure Player. Amazon beispielsweise wird demnächst in den USA einige Ladengeschäfte eröffnen. Da kann man dann nicht nur Amazon-Produkte wie den Kindle oder das Echo kaufen, sondern auch aus der Produktpalette bestellen und retournieren. Auch ein deutscher Pure Player macht das so: mymuesli.com, die einst komplett online gestartet waren, haben in vielen deutschen Städten eigene Müsli-Läden aufgemacht. Das ist Omni Channel: Alles geht, alles vermischt sich.
Nicht nur im Müsli. Die geistige Trennung zwischen online und stationär macht immer weniger Sinn. Moderne Händler machen tendenziell nicht nur beides, sondern alles. Entscheidend ist: Was ihr wollt! Also was wir Käufer annehmen und nutzen. Die größte Herausforderung dafür liegt im Verborgenen: bei der Logistik 4.0. Und zwar wegen Information und Transparenz. Ich würde ja gerne heute Abend die adretten Pumps beim Schuhgeschäft mitnehmen, die ich eben in dessen Online-Shop angeklickt habe – aber sind die abends tatsächlich noch im Laden? In meiner Größe? In der richtigen Farbe?
Keine triviale Frage für Geschäfte, in denen a) Präsenz- und virtuelle Kunden ständig was wegkaufen und b) virtuelle Besteller ihre Bestellungen mit einer gewissen Ausfallquote nicht abholen kommen. Hier den Überblick zu behalten muss ein Warenwirtschaftssystem erst einmal hinbekommen. So werden Information und Transparenz die Schlüsselfaktoren von Handel, Konsum und Logistik: Wie viel von welchem Produkt ist wann verfügbar? Oder einfacher formuliert: Ist das, was ich möchte, auch wirklich da, wenn ich vorbeikomme? Der Kunde braucht die Gewissheit, nicht mit leeren Händen aus dem Laden zu gehen.
Diese Gewissheit erreichen unter anderem adidas, der Media Markt und Rewe (in ausgewählten Städten) bereits. Noch ein Nutzen für den Kunden: Wem was nicht gefällt, der kann seine Retoure dann auch gleich im Geschäft zurückgeben. Das ist schön, stellt den stationären Handel jedoch vor eine zusätzliche Aufgabe: So viele Bücher, Turnschuhe, Radios oder TV-Bildschirme wurden ja bislang im stationären Handel nicht retourniert. Die Online-Retoure bei Nichtgefallen existierte hier bislang nicht. Wenn das nun im Laden so heftig zugeht wie Online: Wie bewältigt der stationäre Handel diese Retouren-Lawine?
Und wenn ich meine Retoure nicht ins Geschäft zurück bringen, sondern einfach dem nächsten Paketboten an meiner Haustür in die Hand drücken möchte? Dann muss und wird der Handel auch diese Kooperation anleiern, Verträge schließen, Prozesse einrichten, Logistikaufträge vergeben und Abläufe überwachen. Da häuft sich im Hintergrund von simplen Einkäufen ein Mount Everest an Daten und Informationen an, für die eine komplette Vernetzung sämtlicher Partner in der Logistikkette nötig ist.
Der „Tod des stationären Handels wegen des Internets“ wurde also leicht verfrüht ausgerufen. Natürlich gibt es in vielen Innenstädten viele Leerstände. Doch sie sind weniger Beleg für die Todesthese als für deren Gegenteil: Das Internet ist beides. Bedrohung und Chance. Chance für alle Händler, die sich nicht im Kampf gegen etwas aufreiben, das sie nicht besiegen können, sondern sich umgekehrt die Methoden des vermeintlichen Gegners zunutze machen. Man könnte das auch lernen nennen …