Läuft Ihr PC noch? Kein Wanna Cry-Virus drauf? Wenn er noch läuft: Glück gehabt – oder Vorsicht und Umsicht beim Updaten. Wenn er nicht mehr läuft: Mein aufrichtiges Beileid und herzlich willkommen bei der Digitalisierung. Die Digitalisierung hat viele Vorteile. Sie macht Arbeit schneller, einfacher und flexibler. Das unregelmäßige Zusammenbrechen von Systemen und Netzwerken ist einer der Nachteile. Dieses Problem hat der Güter-Schienenverkehr derzeit nicht.
Vor wenigen Tagen spielten lediglich die Anzeigetafeln für Personenzüge in vielen Bahnhöfen virenbedingt verrückt. Der Güterverkehr rollte ungehindert weiter, weil der Güterverkehr auf der Schiene kaum digitalisiert ist. Zum Glück. Oder?
Das hat weniger mit Glück zu tun als mit einer stark ausgeprägten kaufmännischen Vorsicht, einer betont risiko-aversen Haltung und einem sehr sparsamen Umgang mit Ressourcen. Diese Attribute eines Entscheidungsprozesses sind bei vielerlei Entscheidungen sicher hilfreich, nützlich, angemessen und verhältnismäßig. Bei der größten Disruption unserer Tage sind sie das dezidiert nicht.
Denn die Digitalisierung ist kein x-beliebiger Change, sondern eine äußerst rasante Transformation. Um in der Metaphorik der Bahn zu bleiben: kein Bummelzug, sondern ein ICE. Wer zu spät kommt, verpasst den Anschluss. Das liegt nicht einmal so sehr an der Technologie. Das liegt an den Kunden, also mittelbar an uns.
Natürlich kommen Schienengüter auch analog an, pünktlich und wie bestellt. Doch zum Beispiel beim Tracking & Tracing hängt jeder Fracht-LKW den Güterzug ab: Der LKW hat einen GPS-Sender, die Lok (noch) nicht. Das will der Kunde heute einfach.
Kaum einer getraut sich deshalb noch, den alten Slogan zu wiederholen: „Güter gehören auf die Bahn!“ Natürlich gehören sie da hin. Das ist gut für die Umwelt, die Atemluft und wir erleben auf den Autobahnen weniger Staus und Elefanten-Rennen. Die Umweltbilanz eines Güterzugs ist eben unvergleichlich viel besser als die vergleichbare Anzahl an LKW. Aber das juckt den Auftraggeber nicht, der wissen möchte, wo seine Ladung in diesem Moment gerade ist, um auf Basis dieser Information das weitere Vorgehen seines Supply Chain Managements zu planen und seine Kunden bei der Stange zu halten.
Wir alle fordern gerne und vehement mehr Umweltschutz. Dass dieser nicht aus der hohlen Hand heraus geleistet werden kann, sondern an klar definierten Voraussetzungen hängt, wird dagegen selten und sotto voce thematisiert. Darüber redet man nicht. Darüber denkt man nicht nach. Soll sich doch die Politik darum kümmern. Oder die Bahn. Oder die Spediteure. Das ist kein Umweltbewusstsein, das ist der untaugliche Versuch der ökologischen Entantwortung: „Geht mich nichts an!“ Wer’s glaubt …
Woran liegt’s denn? Fehlt das Geld? Davon kann man ausgehen – aber das ist ein Grund, keine Entschuldigung. Die milliardenschwere Energiewende haben wir ja auch nolens volens gemeinsam aufgeschient – und die kostet deutlich mehr als die Umstellung auf digitalen Gütertransport auf der Schiene. Es kommt eben auf den politischen und den unternehmerischen Willen an. Ersatzweise auf genügend gesellschaftlichen Druck. Doch für mehr Güter auf der Schiene habe ich noch nie eine Protestdemonstration gesehen. Nötig wäre es allemal. Die Zahlen sprechen eine deutliche und keine gute Sprache.
Denn von 2015 auf 2016 sank das Transportaufkommen auf der Schiene leicht, während es auf der Straße zunahm. Das kann uns jeder Autofahrer und sein höchst subjektiver Eindruck bestätigen. Man kriegt doch jeden Tag stärker das Gefühl, dass immer mehr LKW und Liefertransporter im Straßenverkehr unterwegs sind. Und man/frau fragt sich Stau-Kilometer für Stau-Kilometer: Muss das sein? Ist das wirklich nötig? Geht das nicht auch anders?
Das ginge es. Wenn die Schiene konkurrenzfähig werden würde. Auch und gerade digital. Wenn ich selber mit der Bahn unterwegs bin – und das bin ich gerne – dann sehe und erlebe ich sehr eindrücklich, wie der Zug nicht nur konkurrenzfähig gegenüber meinem Auto ist, sondern dass mein Auto deshalb in der Garage steht, weil für diese Strecke, Uhrzeit und Kosten die Zugfahrt einfach lohnender, besser, angenehmer ist für mich und die Umwelt. Ich wünsche der Bahn, mir und uns allen, dass sich das möglichst bald nicht nur für Personen, sondern auch für Güter sagen lässt.