Rad schlägt LKW

Fährt bei Ihnen in der Gegend schon eines rum? Oder sind Sie gar selber schon eines gefahren?

Das Lastenrad – es macht den Drahtesel zum Lastenmuli. Es sieht entweder so aus, als ob ein Radfahrer eine Schubkarre vor sich herschiebt oder einen Anhänger hinter sich herzieht. Nur ist in beiden Fällen Karren und Hänger mit dem speziell konstruierten Rad fest verbunden. Bis zu 250 Kilo kann so ein Lastenrad transportieren. Da passt mehr als der Wocheneinkauf für eine fünfköpfige Familie rein. Aber Mütter wird man eher selten damit radeln sehen.

Denn interessanter als fürs Shopping ist das Lastenrad fürs komplementäre Gegenteil: fürs Ausliefern. Das Lastenrad ist ein sehr attraktives Transportmittel für die innerstädtische Belieferung auf der berühmten letzten Meile. Denn das Lastenrad bläst weder Stickoxide noch Feinstaub in die Luft. Es macht keinen Lärm. Es verstopft die Straßen nicht. Selbst wenn die verwinkelten Gassen einer Altstadt zugeparkt sind oder wegen vieler Einbahnstraßen nur im Zickzack zu beliefern sind, kommt es schnell und problemlos überall durch und deshalb im Schnitt schneller voran als die üblichen Kleintransporter. Deshalb wird das Lastenrad derzeit in vielen Städten von Lieferdiensten und anderen Logistikdienstleistern getestet. Das macht Sinn.

Denn die Urbanisierung schreitet unaufhaltsam voran, der Online-Handel wächst weiter, während viele Oberbürgermeister über Fahrverbote für Diesel in den Innenstädten nachdenken. An den Tests beteiligt sind auf der einen Seite Startups, die ein attraktives neues Geschäftsfeld vermuten, und auf der anderen Seite die großen Logistikdienstleister. Hier in Nürnberg zum Beispiel testen derzeit DPD und GLS die Paketauslieferung per Lastenrad-Flottille. Die Tests laufen gut, die Auslieferung klappt, die Radler werden vom Publikum gerne gesehen und willkommen geheißen. Vor allem: Während Lieferdrohnen und -roboter noch Zukunftsmusik sind, ist das Lastenrad schon da. Wobei – genau hier liegt noch eines der Probleme beim Lastenrad.

Denn die Hersteller kommen (noch) nicht mit der Auslieferung nach. Es werden derzeit sehr viel mehr Lastendräder nachgefragt als im Moment noch hergestellt werden können. Doch wie wir die Industrieproduktion in diesem Lande kennen, regelt sich das eher in Monaten als in Jahren: Wegen der starken Nachfrage weiten die Produzenten ihre Kapazitäten aus. Das gilt auch für viele andere Problemchen der Belieferung mit dem Lastenrad: alles lösbare Herausforderungen.

Zum Beispiel die Infrastruktur: Mit 250 kg Transportlast kommt man nicht übern Tag, sondern muss zwischenladen. Das machen ganz normale Postboten zwar auch schon, doch fürs Lastenrad müssen extra sogenannte Mikro-Depots geschaffen werden, wo Pakete zwischengelagert werden können. Das kann mit sogenannten Kleinstimmobilien geschehen: Man stellt strategisch verteilte Depot-Schränke in den Städten auf. Oder man nutzt Parkhäuser als Zwischenlager.

Oder man stellt den vollbeladenen LKW an den Stadtrand und benutzt ihn als Depot für die Fahrradkuriere, die sich immer wieder „volle Ladung“ bei ihm holen. Volle Ladung? Das bringt uns zu den Radkurieren selbst: Sind das alles etwa Spitzensportler?

Einmal davon abgesehen, dass ein deutscher Postbote bei einem „Laufbezirk“ (also einem, der nicht mit dem LKW zu befahren ist) von um die 20 km – täglich! – sowieso schon ein Spitzensportler olympischen Ranges ist und sein muss (und nie auch nur ein Fitzelchen Anerkennung vom Publikum dafür bekommt): Der Lastenradler kann, er muss kein Olympionike sein. Denn selbstverständlich sind die meisten professionellen Lastenräder E-Bikes. Um als Lastenradler zu arbeiten, muss man vorher nicht die Tour de France gewonnen haben.

Gleichwohl bietet der Beruf natürlich die perfekte Work-Life-Balance: Für die tägliche Dosis Bewegung muss man nicht nach Feierabend auch noch in ein muffiges Fitness-Studio, sondern kriegt seinen kardiopulmonalen Workout während der Arbeitszeit – und wird auch noch dafür bezahlt! Stadtluft mag nicht die frischeste sein, aber der alte Spruch stimmt: Stadtluft macht frei! Und alle haben was davon.

Wir Besteller, unsere Umwelt, das Stadtleben, die Radler und die ausliefernden Unternehmen. Es stimmt eben nicht, dass die Welt immer schlimmer und die Umwelt immer verdreckter wird. Es tut sich was in unseren Städten. Es lohnt sich, die Lastenradel-Tests aufmerksam zu verfolgen und auch mal eine Mail an die testenden Unternehmen zu schicken oder einem vorbeifahrenden Lastenradler seine Anerkennung hinterherzurufen. Damit die Unternehmen nachher keine Ausrede haben, um doch wieder mit dem Diesel auszuliefern. Damit sie sehen: Wir wollen das!

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