Alles frisch!

E-Food. Was ist das? Fast Food kennen wir, Fingerfood auch. E-Food ist einfacher: Schlicht jene Lebensmittel, die wir im Internet bestellen, kaufen und sie liefern lassen. Wir klicken auf den Kohlkopf und die Packung Spaghetti und der Paketbote bringt uns beides an die Tür, die Paket-Station oder zur Nachbarin. Viele Händler bieten E-Food an – und das Angebot wird genutzt. Vor allem in anderen Ländern.

In Südkorea, den USA, Großbritannien und Frankreich beträgt der Anteil von Internet-Lebensmitteln am Einzelhandelsumsatz mit Lebensmitteln um die zehn Prozent. Wir hierzulande haben gerade mal ein Prozent. Warum so wenig?

Das hat einige Gründe. Zum einen sind wir bei Lebensmitteln extrem preisempfindlich. Und wenn das Essen geliefert wird, kostet es eben mehr, als wenn wir es beim Discounter aus dem Regal greifen. Also halten wir uns online eher zurück.

Das zeigt der Umsatz, den Amazon mit E-Food macht: 25 Mio. Euro (2017). Das ist klingt zwar viel, setzt sich jedoch zum Großteil eben nicht aus Frischware zusammen, sondern aus – worauf tippen Sie?

Alkoholische Getränke und Tierfutter. Wenn es dagegen frisch sein muss, wenn es Obst und Gemüse und Fleisch sein soll, gehen wir lieber selber einkaufen. Denn dann sehen wir der Banane an, ob sie Flecken hat. Wir können im Internet nicht auf die Melone klopfen und auch nicht an der Ananas ziehen, um zu testen, ob sie reif genug ist (dann gehen die Blätter oben leichter aus). Wenn sie mit dem Paket kommt, kaufen wir die Ananas sozusagen im Sack (solange nicht das Touch-Interface für PC und Smartphone erfunden ist).

Der jährliche Umsatz mit E-Food beträgt immerhin 1,6 Mrd. Euro (2017) in Deutschland. Das klingt nach viel? Eher nicht. Das entspricht lediglich dem erwähnten einen Prozent des Gesamt-Umsatzes im Lebensmittel-Einzelhandel. Wir und unsere Haustiere futtern übers Jahr ganz schön was weg! Dass wir nicht mehr davon online bestellen, hat weitere Gründe: Wir können zum Beispiel die Kühlkette selbst nicht kontrollieren. Dem stationären Handel trauen wir da mehr zu. Immerhin wissen wir, dass der normale Paketbote keinen Kühltransporter hat und übertragen diese Beobachtung unzulässigerweise auf Food-Transporte. Das erklärt auch, warum E-Food derzeit noch mehr kostet als im stationären Handel: Der Kühltransporter für den Paketboten kostet die Händler viel Geld, das sie vom Kunden wiederhaben wollen. Zum Beispiel auch via Aufschläge auf schwere Artikel wie Getränkekisten.

Was die Online-Bestellwut ebenfalls aktuell noch dämpft, sind ausgebuchte Lieferzeiten. Ich bin zum Beispiel heute Abend zwischen 18 und 19 Uhr daheim und möchte fürs Abendessen beliefert werden, stelle aber beim Fertigklicken der Bestellung für die Stunde nach sechs Uhr fest: „Lieferzeit leider schon ausgebucht“. Also doch nach der Arbeit erst noch beim Laden vorbeifahren. Supermärkte und Discounter gibt es schließlich genug.

Auch das ist ein Grund, warum wir vergleichsweise wenig E-Food bestellen: Unser Nahversorgungsnetz, um das uns die oben aufgeführten vier Nationen (und andere) beneiden. In Deutschland haben selbst Gemeinden mit niedriger vierstelliger Einwohnerzahl schon zwei Discounter und einen Supermarkt am Ort. Was die Versorgung exzellent macht, die Preise im Konkurrenzkampf drückt und so den Preisunterschied zur Belieferung noch größer macht. Warum investieren dann Amazon, Rewe, Edeka, Lidl und andere intensiv in E-Food?

Weil immer noch die Prämisse des First Mover gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer zu den Ersten zählt, kann sich zumindest die 1,6 Mrd. Euro teilen und eine Option auf mächtiges Wachstum ziehen. Denn E-Food wächst mit hohem Tempo.

Das ist bei einem Marktanteil von nur einem Prozent auch keine Kunst. Doch ein Wachstum von 21,3 Prozent, wie es eine Studie des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh) für 2017 ausweist, soll ein anderes Marktsegment erst einmal nachmachen. Und mal ehrlich: Wer schleppt schon das Dutzend Weinflaschen und die 5-Kilo-Vorratspackung Waschpulver gerne zwei Etagen hoch, wenn er oder sie das auch einem professionellen Hochschlepper überlassen kann? Das ist einfach viel bequemer und entspannter und schont den Rücken. Schont es die Umwelt?

Das ist die alte Frage: Was pustet mehr Dreck in die Luft? Wenn ein einziger Transporter mit allem zu allen fährt? Oder wenn wir alle mit allen unseren PKW zum nächsten oder übernächsten Discounter fahren? Bislang brauchen wir uns kein schlechtes Gewissen machen. Auch nicht wegen des Händlers unseres Vertrauens vor Ort. Solange wir Frisches noch an seiner Frischetheke kaufen, haben alle etwas von E-Food.