Amazon Airport

Amazon baut auch noch einen Flughafen. Wo? In Cincinnati (Ohio). Die Stadt befindet sich nah an der Grenze des Bundesstaates, weshalb ihr bestehender Flughafen bereits in Kentucky liegt. Diesen baut Amazon nun für rund 1,5 Mrd. Dollar aus.

Das Unternehmen hat dafür 360 Hektar Land für 50 Jahre gepachtet. Das sind ungefähr 500 Fußballfelder. Zweitausend neue Jobs sollen entstehen. Eine Sortierhalle mit Platz für bis zu hundert Frachtflugzeugen ist vorgesehen. Pro Tag soll der Amazon Airport 200 Flüge abwickeln können; zum Vergleich: Der Nürnberger Flughafen, der etwa mittlere Größe hat, schafft 180 täglich. Ziel und Zweck des Amazon-Flughafens sind klar: Die Versandprozesse sollen weiter beschleunigt und erweitert werden.

Also noch mehr Pakete in noch kürzerer Zeit. Wobei der neue Flughafen allein für die Verbesserung der Logistik in den USA und Kanada gebaut wird. Amerika ist eben ein großes Land. Mit ihren 9,8 Mio. Quadratkilometern böte sie Deutschland locker 28 Mal Platz. Da ist ein eigener Flughafen für die Versorgung des Landes keine Unverhältnismäßigkeit. Doch was für die USA gut ist, ist gut genug für die Welt.

Amazon will die globale Logistik komplett aufrollen und langfristig auch in anderen Ländern ebenfalls eigene Flughäfen bauen. Der Versandhändler kann sich das leisten, nimmt man den privaten Reichtum seines Gründers und Chefs zum Maßstab: Jeff Bezos wird reicher geschätzt als Bill Gates und Elon Musk zusammengenommen. Wobei Geld nicht alles ist.

Bezos ist einer der nicht gerade massenhaft auftretenden Unternehmer, die erkannt haben, dass nicht länger alleine erstklassige Produkte das Rennen im Markt machen (erstklassig sind inzwischen fast alle Produkte). Vielmehr kaufen wir Konsumenten heutzutage tendenziell umso mehr Zeugs ein, je schneller und bequemer wir es kriegen können. Bezos weiß das. Seine Verkaufszahlen sagen es ihm. Deshalb baut er Flughäfen. Wozu überhaupt?

Was wird mit Luftfracht transportiert? Hauptsächlich zeit- und temperatursensible Ware wie Medikamente, Blutkonserven und natürlich verderbliche Güter, also vor allem frische Lebensmittel: Teuer und verderblich fliegt. Das zeigt sich auch im Wert einer Tonne Luftfracht. Laut Statistischem Bundesamt liegt dieser Wert (2016) im Schnitt über 80.000 Euro. Zum Vergleich: Im Seeverkehr ist die Tonne Fracht circa 1.900 Euro wert, per LKW rund 1.800 Euro und auf der Schiene 1.300 Euro. Konservendosen würde also niemand mit dem Flieger schicken. Trotzdem oder gerade deshalb bleiben Fragen.

Ist das wirklich nötig? Noch mehr Flieger in der Luft? Noch mehr Klimakiller-Abgase in der Atmosphäre? Noch mehr Landschaft zubetoniert? Noch mehr Lärm für die Anwohner und noch weniger Schlaf (Frachtmaschinen fliegen rund um die Uhr)? Und ist das alles noch verhältnismäßig?

Das ist es aktenkundig nicht. Denn nur vier Prozent aller Lebensmittel, die in Deutschland verbraucht werden, kommen aus Übersee. Die Wegstrecke, die sie dabei zurücklegen, macht jedoch zwei Drittel der Gesamtwegstrecke aller in Deutschland verbrauchten Lebensmittel aus. Mit „jeder Vernunft Hohn sprechenden Verschwendung von Ressourcen“ ist das noch milde beschrieben. 66 Prozent Aufwand für 4 Prozent Luxus-Lebensmittel? Das ist dekadent.

Dabei verpulvern diese Luxusgüter elf Mal mehr Energie und stoßen elf Mal mehr CO2 und 28 Mal so viel Schwefeldioxid aus wie einheimische Produkte. Täglich lassen wir ach so umweltbewussten Verbraucher 140 Tonnen Lebensmittel nach Deutschland einfliegen. Tag für Tag. Das ist weniger als ein Prozent aller hierzulande angebotenen Lebensmittel.  Dieses mickrige eine Prozent verursacht aber das Zehn- bis 16-Fache an Treibhausgasen über sämtliche Transporte hinweg gerechnet.

Lediglich 0,01 Prozent aller importierten Bananen werden eingeflogen, dafür aber rund 90 Prozent der Papayas. Brauchen wir das? Gibt es nicht genug Obst in und aus deutschen Landen? Wie haben unsere Großeltern das bloß überlebt? Ohne Papaya – man denke! Wir haben eben in Europa die Grünen erdrutschartig ins Parlament gewählt, aber verspeisen jährlich immer noch zig Tonnen an Klimakiller-Obst und -Gemüse, das eingeflogen wird? Oder das wie die Avocado ganze Landschaften vernichtet? Aber die Avocado ist ja neuerdings „Superfood“ – superumweltfeindlich. Das ist eine schöne Doppelmoral. Für die Umwelt protestieren, aber rund 12.000 Tonnen Papayas jährlich einfliegen lassen. Ist das noch Ignoranz oder schon Doppelmoral? Müssen wir denn selber noch etwas für die Umwelt tun, wenn wir doch grün wählen? Das ist die Frage.

Die andere Frage ist: Sind wir überhaupt bereit, auf irgendetwas zu verzichten und sei es nur die kropfüberflüssige Papaya? Offensichtlich denken und handeln wir lieber nach dem Motto: Es muss sich was ändern! (Aber halt nicht bei mir). Oder: Es muss alles anders werden! Aber nichts soll sich ändern. Der Mensch ist ein paradoxes Wesen. Vielleicht haben wir das Klima verdient, das wir bekommen. Wobei: Wir können auch anders.

Als ich mich im Gespräch mit einer guten Bekannten zu Avocado und Papaya austobte, schaute diese erst baff und meinte dann: „Das wusste ich noch nicht. Sagt einem ja auch keiner! Dann streich ich die vom Einkaufszettel. Pfirsiche und Nektarinen schmecken den Kindern sowieso besser.“ Die tut was! Wir auch?

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