Was für eine Katastrophe!

2020 – was für ein Katastrophenjahr. Und nicht nur nach unserem subjektiven Empfinden. Jene internationalen Organisationen, deren Mitglieder es sich zum Beruf gemacht haben, gegen die reichlich vorhandenen Katastrophen unserer Zeit zu kämpfen, haben Faustregeln entwickelt, ab wann es legitim ist, von einer Katastrophe zu sprechen.

Ab 10 Todesfällen und/oder wenn mindestens 100 Personen verletzt wurden, zählt ein Ereignis als Katastrophe; Corona zum Beispiel. Oder viele andere. Der Katalog der katastrophalen Events in unseren Tagen ist gut ausgestattet: Kriege, Terror, Erdbeben, Tsunamis, Überschwemmungen, Dürre, Heuschreckenschwärme, Vulkanausbrüche … Was machen wir, wenn so etwas Schlimmes passiert?

Wir schaudern, wir spenden, wir bedauern die Opfer, was schön und gut und menschlich ist. Letztendlich hilft aber vor allem eine funktionierende Humanitarian Supply Chain, die dafür sorgt, dass Hilfe asap dort ankommt, wo sie gebraucht wird, nach Maßgabe logistischer Qualitätskriterien, zum Beispiel den 8R: Das richtige Hilfsgut in der richtigen Menge zur rechten Zeit am rechten Ort, zum richtigen Preis, in der richtigen Qualität, beim richtigen Adressaten und mit der richtigen Information. Das hat System.

Und systematisch hilft besser im Katastrophenfall. Was nötig ist. Denn wir leben im Zeitalter der Katastrophen. Das ist beileibe keine pessimistische Einschätzung unter dem Eindruck aktueller Ereignisse. Das ist ein weltweiter Mega-Trend; die Zahlen lügen nicht: Zwischen 1970 und 1990 hat sich die Anzahl der Naturkatastrophen und Kriege – was schätzen Sie wie entwickelt?

Steigerung um 30 Prozent? 70? Verdoppelt?

Sie hat sich verdreifacht. Und der Trend ist stabil, weshalb die Experten bei der beliebten Trendextrapolation davon ausgehen, dass er sich in den nächsten 50 Jahren noch einmal – noch ein Tipp?

Verfünffacht.

Das ist keine Dystopie eines besonders finsteren Science Fiction-Blockbusters Marke Hollywood. Das ist unsere Zukunft. Wir können mit Fug und Recht behaupten: Die Zukunft wird im Sinne des Wortes katastrophal. Möglicherweise nicht für uns. Denn Katastrophen sind selten gleichverteilt über Länder und Kontinente. Wahrscheinlich haben wir einfach nur wieder Wahnsinnsmassel, bleiben weitgehend unverschont und müssen lediglich die Grenzen noch ein wenig dichter machen zum Schutz vor den Millionen Katastrophenflüchtlingen. Mal ehrlich: Keine Science-Fiction ist spannender. Und wir erleben sie in Echtzeit, live – obwohl wir sie lieber als Virtual Reality hätten. Doch Pustekuchen: Das ist Real Reality, das Härteste, was Hollywood nicht zu bieten hat.

Und was umso härter ausfällt, je schwächer unsere Humanitarian Supply Chains organisiert, strukturiert und ausgestattet sind mit Material und Katastrophenhelfern. Anders ausgedrückt: Gegen die Not der Welt ist der ganze milliardenschwere E-Commerce eine Pommesbude mit minderem Wachstumspotenzial.  Der größte Wachstumsmarkt der Erde ist die Katastrophenhilfe (nach realen Kosten, nicht nach den sprichwörtliche Peanuts, die dafür budgetiert werden). Hier endlich finden wir das, was wir alle laut Auskunft des Zeitgeistes verzweifelt suchen: einen Job mit Noble Purpose.  Tatsächlich geht es nicht nobler: Wir retten die Welt.

Aber eben nur, wenn wir bei „Katastrophenhilfe“ nicht an Spenden und milde Gaben denken, sondern an Logistik. Die Logistik allein garantiert das „Hier werden Sie geholfen“: schnelle Reaktionszeit, hohe Versorgungssicherheit, agile und flexible Strukturen – also all das, was wir im Frühjahr bei der ersten Corona-Welle schmerzlich und wochenlang vermissten, also ewig lange Masken und Desinfektionsmittel nirgends zu kriegen waren. Die größere Katastrophe ist immer die Katastrophe nach der eigentlichen Katastrophe, wenn die Leute in der Pampa stehen und vorwurfsvoll fragen: Ja wer hätte denn damit rechnen können?

Das Humanitarian Supply Chain Management – offenbar immer noch ein Fremdwort in vielen gut informierten Kreisen.

Sonst hätten wir längst gelernt: Wir brauchen nicht nur höhere Lagerbestände an versorgungskritischen Gütern. Wir brauchen erst einmal die Lager, in die wir diese einlagern können, die nötigen Beschaffungsstrukturen und die Organisation derselben. Stattdessen erleben wir Datenverluste bei Massentestungen in Zehntausender-Stärke, weil die Leute im Katastrophenfall auf Schmierzetteln und in Excel-Tabellen schreiben, weil die korrekte Katastrophen-Software fehlt.

Wir brauchen Desaster Response Teams – und diese nicht nur, wenn die nächste Katastrophe wieder die Intensivstationen füllt und auch nicht in Form von 16 Landesfürsten, die weder Experten für die Katastrophe noch für die Katastrophenlogistik sind.  Wir brauchen Desaster Response Teams, die zu unserer nationalen Infrastruktur gehören wie der Innendienst zu jedem größeren Unternehmen.

Alle sprechen über den Data Scientist oder die Influencerin. Gewiss, Berufe mit Zukunft. Doch wer sich heute aufs Humanitarian Supply Chain Management spezialisiert, der und die hat eines gewiss: eine absolut sichere berufliche Zukunft. Kein Trend ist stärker als die Katastrophe.

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