Die Medien haben überraschend den Wasserstoff entdeckt. Auch einige Konzerne bemerken momentan, dass Wasserstoff-Pressemitteilungen cool sind. BMW zum Beispiel teilt mit, dass ein H-Modell in Serie gehen wird und die Bahn verschickt eine Mitteilung aus Anlass des ersten H-Zugs. Das ist seltsam.
Denn noch vor einem Jahr war das E-Auto der große Trend. Es sollte nichts weniger als die Welt und das Klima retten. Niemand sprach über Wasserstoff. Doch wie der Begriff schon sagt: War halt bloß ein Trend. Jetzt ist eben Wasserstoff trendy. Man fragt sich, warum nicht gleich so. Wozu erst das aufwändige Zwischenspiel mit E-Autos?
Mit einem Masseanteil von 70 Prozent ist Wasserstoff das häufigste Element im Universum. Nicht jedoch auf der Erde. Hier beträgt sein Masseanteil 0,87 Prozent. Dabei ist der Großteil dieser kleinen Menge an Sauerstoff gebunden, was uns aus dem Schulunterricht als Wasser bekannt ist: Wenn H2, dann O.
0,87 Prozent sind relativ wenig, doch absolut viel angesichts der schieren Masse der Erde. Wollen wir mit sauberem grünem Wasserstoff Klima und Welt retten, dann gilt es jetzt, den gebundenen Wasserstoff sozusagen rückzugewinnen; H-Recycling. Um ihn zum Beispiel in einem Verbrennungsmotor zu verbrennen, wozu ein Benzinmotor aus fast jeder x-beliebigen Modellreihe lediglich ein wenig modifiziert wird, unter anderem am Ansaugsystem. Oder wir verwandeln den Wasserstoff in einer Brennstoffzelle mittels galvanischer Reaktion in Strom, der dann einen E-Motor antreibt.
Bei vielen Trends sind wir Deutschen ziemlich hinten dran: Digitalisierung, Wokeness, bargeldlose Bezahlung … Doch bei der Elektrolyse-Kapazität zur Erzeugung von Wasserstoff liegen wir mit 46 Megawatt international an der Spitze der Tabelle. Leider werden aktuell davon lediglich 26 Megawatt betrieben. Laut Europäischem Automobilverband liegen wir mit unseren 89 H-Tankstellen (2021) ebenfalls an der Länderspitze in Europa. Das ist zwar ein sehr bescheidener, doch das ist immerhin ein Anfang für die H-Mobilität. Immer unter der Voraussetzung, dass Autos, LKW, Schiffe und Flugzeuge mit sauberem grünem Wasserstoff angetrieben werden. Von dieser Voraussetzung sind wir noch zig Milliarden Euro und eine komplette Herstellungs- und Tankinfrastruktur entfernt. Deklinieren wir die H-Mobilität durch.
Erst des Deutschen liebstes Spielzeug, das Auto: Die ersten serienmäßigen Brennstoffzellen-Autos kamen vor Jahren, natürlich, von zwei japanischen Automobilherstellern. Mercedes hatte vor Jahren ebenfalls ein H-Serienmodell, nahm es jedoch bald vom Markt: Damals war „Klimakatastrophe“ noch ein Wort aus einem Sci-Fi-Roman. Selbst die Weltrettung ist eine Mode und was nicht „in“ ist, wird nicht gemacht. Man fragt sich, wann zur Abwechslung mal Intelligenz in Mode kommt … Inzwischen arbeiten alle Hersteller an der Entwicklung von Brennstoffzellen-Autos für die Serie. Opel zum Beispiel hat einen H-Transporter aufgelegt.
BMW bringt noch in diesem Jahr eine Kleinserie des X5, ein SUV, natürlich, auf den Markt, die mit Brennstoffzelle arbeitet. Ausgerechnet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat schon letztes Jahr den Prototyp eines H-Klein(st)wagens vorgestellt. Ein Zweisitzer, der in Serie sensationelle 15.000 Euro kosten soll. Sauber, nachhaltig und günstig! Der weltgrößte Kfz-Zulieferer, Bosch, baut derzeit strategisch die Brennstoffzelle als Alternative zum E-Motor auf – was ich jetzt leicht missverständlich formuliert habe.
Am besten am Beispiel erläutert: Die Ingenieure und Marketing-Genies von Bosch kauften unlängst in einer verschärft publikumswirksamen Aktion zwei E-Transporter von der Stange (Fabrikat irrelevant). Sie schraubten einige Blechteile ab, bauten die schweren, raumgreifenden Akkus aus, brachten stattdessen auf demselben Platz eine Brennstoffzelle unter, schraubten alles wieder zusammen – und läuft! Wir hören förmlich wie sich im Marketing-Äther der nächste große Trend zusammenbraut: Akkus raus – Brennstoffzelle rein – große Umrüstaktion! Exakt formuliert ist die Brennstoffzelle also keine Alternative zum E-Auto – denn dessen E-Motor bleibt – sondern zu dessen klobigen Akkus. Das bislang so genannte E-Auto (mit Akkus) ist schon an- und ausgezählt, noch bevor überhaupt die erhofften Millionen davon auf der Straße unterwegs sind. Unter der Voraussetzung, dass eine komplett neue Branche für die Wasserstoffherstellung plötzlich auf der Bildfläche erscheint.
Der H-Transporter von Mercedes hat eine Reichweite von jetzt schon rund 1.000 km (weil der Wasserstoff flüssig und nicht gasförmig betankt wird, also mit höherer Dichte). Das schafft kein E-Transporter, respektive kein Akku-Pack. 2028 soll dieser Langläufer serienreif sein. Die Logistik setzt auf Wasserstoff, abseits der Schlagzeilen: Ein Hamburger Start-up hat eben den größten bekannten H-Auftrag bekommen. Es soll über fünf Jahre und für ein Milliarden-Budget sage und schreibe 5.000 LKW (40-Tonner) von Diesel auf Brennstoffzelle umrüsten; inklusive Wasserstoff-Infrastruktur. Schwerlastmobilität wird nachhaltig und bläst nicht mehr Dieselruß, sondern Wasserdampf in die Luft.
Ein japanischer Hersteller liefert erste H-LKW an seine Kunden aus. 27 von der deutschen Bundesregierung geförderte H-LKW werden an Unternehmen aus Logistik, Produktion und Handel übergeben; Reichweite 400 km. Diese können, je nach Außentemperatur, binnen knapp einer halben Stunde betankt werden. Hätten die LKW’s Akkus, würde das Aufladen Stunden dauern und wäre komplett unrentabel.
Auch H-Lokomotiven wurden bereits auf Fachmessen vorgestellt; der erste H-Zug fährt bereits im Testbetrieb im normalen Schienennetz. Mittelfristig sollen damit Regionalzüge ersetzt werden, die noch weitgehend mit Diesel fahren. Ein einziger H-Zug spart während seiner Lebenszeit von 30 Jahren circa 45.000 Tonnen CO2 im Vergleich zum Passagier-Transport mit dem eigenen Auto. H-Züge werden bis zu 160 km/h schnell, können zügig betankt werden und haben eine Reichweite von bis zu 1.000 km. Niedersachsen schrieb Eisenbahn-Geschichte, als es den ersten Passagierzug mit H-Antrieb im August auf die Schiene setzte. Bleiben noch Flugzeuge.
Airbus entwickelt derzeit einen H-Flugzeugmotor, der bis 2025 in Gestalt eines Demonstrators vorliegen soll; eine Vorstufe für einen Prototyp. Experten prognostizieren das Marktvolumen für H-getriebene Luftfahrzeuge fürs Jahr 2030 auf 23,7 Milliarden US-Dollar, für 2040 schon auf 144 Milliarden. Airbus will bis 2035 H-Passagierflugzeuge ausliefern und entwickelt im Augenblick dafür verschiedene Modelle.
Während also in Medien, Gesellschaft und Politik noch das Jammern über die Klimakrise mit Emphase betrieben wird, rüstet die Wirtschaft bereits mit Milliarden-Investitionen auf den Klimaretter Wasserstoff um.
Liebe Frau Hartmann,
Ich habe mit zunehmendet Begeisterung Ihren Beitrag zum Wasserstoff und zu H-Motpren gelesen. Ich stimme mit Ihnen überein, wenngleich mir das Fachwissen etwas fehlt.
War Lehrer bei den Ursulinen und hatte Evi im Unterricht. Herr Wolf hat mich gerade auf Ihre Beiträge aufmerksam gemacht. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und ein klares Wort.
Grüße
Rainer Kerz
Lieber Herr Kerz, wie schön von Ihnen zu lesen. Streng genommen fehlt uns allen ‚etwas das Fachwissen‘ – genau dazu ist Wissenschaft da: um Wissen zu schaffen. Wichtig ist allein das Interesse dafür – und das zeigen Sie ja kompetent und freundlich. Es ist wirklich spannend, in welche Richtung sich dieses Thema noch entwickeln wird. Evi Hartmann