Werden wir wegdigitalisiert?

Viele fürchten es. Künstliche Intelligenz, Algorithmen, Cyber-Physische Systeme, Internet of Things, Cloud Computing, Blockchain und Big Data: Werden Arbeitsplätze massenhaft wegdigitalisiert? Je diffuser die Furcht, desto konkreter sollte man sie betrachten.

Werden wir vor der eigenen Haustür konkret: Gerade in Logistik und Supply Chain Management wird viel und intensiv digitalisiert und automatisiert: überall Sensoren, RFID, vollautomatische Hochregallager … Warum? Weil die Logistik besonders viele Arbeitsplätze einsparen möchte/muss? Nein, weil es gar nicht mehr anders geht. Die hoch komplexen und weit verzweigten Liefernetzwerke einer globalisierten Welt und der anhaltende, ära-definierende Konsumrausch von uns Online Shoppern lassen sich nicht mehr mit Karteikasten und Clipboard bändigen. Das geht nur noch digital.

Das liegt zum einen an der in den letzten Jahren nahezu unüberschaubar angewachsenen Zahl von Lieferanten, die man mit herkömmlichen, analogen Mitteln nicht mehr managen kann. Hinzu kommt die angespannte Lage auf den boomenden Materialmärkten: Es ist aktuell schon schwer genug, überhaupt an freie Kapazitäten zu kommen. Zum anderen erleben (und produzieren) wir starke Schwankungen beim Nachfrageverhalten. Plus der drohende Handelskrieg der USA gegen den Rest der Welt. All das befeuert Komplexität und Dynamik in Wirtschaft und Supply Chain. All das kriegt man analog gar nicht mehr in den Griff. Genau dafür wurde das Digitale geschaffen. Um große, dynamische Datenmengen schnellstmöglich und zuverlässig zu verarbeiten. Deshalb setzen Wirtschaftsbosse auf die Digitalisierung – und nicht länger auf Menschen?

Viele befürchten das und übersehen: Niemand kann digitale Technologie einfach so auf analoge Arbeitsprozesse draufsetzen. Nein, wir brauchen Menschen, die vorhandene Arbeitsprozesse zunächst neu gestalten, so dass sie überhaupt erst sinnvoll digitalisiert werden können. Dann brauchen wir Menschen, die diese neuen, digitalen Prozesse in der realen Arbeitswelt implementieren. Und danach brauchen wir Menschen, die das Digitale warten, instand halten und zusammen mit den Maschinen die laufenden Prozesse gestalten. Maschinen brauchen Menschen, die sie begleiten.

Der Mensch wird in und von der digitalen Wirtschaftswelt nicht abgeschafft, im Gegenteil: Es gibt noch viel zu wenige dieser Menschen, die digitale Maschinen und Abläufe begleiten können – und wollen. Weil unsere (Weiter)Bildung und unsere Einstellung zur Technologie sich noch nicht so schnell entwickeln wie die Technologie selber. Hier liegt das Problem – und nicht daran, dass Maschinen Menschen ersetzen wollen. Wir lösen das Problem mit drei Ansätzen. Wer digitale Prozesse etablieren möchte, braucht:

  1. Empowerment: Viele lehnen sich furchtsam und passiv zurück und überlassen der neuen Technologie das Feld. Das führt zu heftigen Akzeptanzproblemen: Technik gegen Mensch. Diese Probleme vermeiden Unternehmen, die ihre Belegschaft empowern, also ermächtigen: Engagiert euch! Redet mit! Nicht die Technologie transformiert Arbeitsprozesse – wir machen das.
  2. Involvement: Je früher alle relevanten Stakeholder in den Transformationsprozess einbezogen werden, desto stärker steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit. Alle, die nachher etwas mit den digitalisierten Prozessen zu tun haben, können von Anfang an ihre Meinung und Erfahrung einbringen. Die Methode „Überstülpen!“ dagegen verspricht Versagen: „Die da oben“ beschließen Digitalisierung, doch Kunden, Lieferanten und Belegschaft, die mit den digitalisierten Abläufen leben und arbeiten müssen, wurden nicht gefragt: eine Misserfolgsgarantie.
  3. Engagement: Weg von „Wir müssen mit der Digitalisierung nun mal leben!“ und hin zu: „Das neue Digitale ist so effizient, so stark auf uns zugeschnitten, erleichtert und verbessert unsere Arbeit derart – das wollen wir haben!“

Exakt so sollte Technologie wirken. Damit wir immer seltener nervtötende Routine-Arbeiten erledigen müssen und uns immer stärker interessanteren Aufgaben widmen können. Die ganzen lästigen Arbeiten überlassen wir den Maschinen. Arbeit wird sinnvoller, persönlicher, authentischer. So gesehen ist die Digitalisierung die größte Chance der Neuzeit, die Rolle des Menschen in der Wirtschaft neu zu gestalten. Vor allem angesichts dreier menschlicher Fähigkeiten, die Maschinen absehbar nicht übernehmen können:

  1. Menschliche Intuition. Wirtschafts- und Kaufentscheidungen sind oft hoch irrational. Maschinen sind viel zu „vernünftig“, um menschliche Bauchentscheidungen antizipieren und beurteilen zu können.
  2. Trust Management: Ohne gegenseitiges Vertrauen der Partner sind Wertschöpfungsketten ineffizient, unflexibel, langsam und störanfällig. Dieses Vertrauen aufbauen und pflegen können Maschinen nicht. Das muss der Mensch machen.
  3. Strategische Entscheidungen: Wie viel von welchem Artikel nächste Woche auf Lager genommen werden sollten, können Maschinen besser als der Mensch prognostizieren. Aber nicht, wie sich ein Unternehmen in den nächsten 20 Jahren entwickeln soll.

Es bleibt dabei: Die Maschinen werden klüger. Doch der Mensch bleibt einzigartig.

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