Ganz einfach Gutes tun

152 Millionen Kinder weltweit müssen arbeiten. Eine unvorstellbare Zahl. 48 Prozent sind noch ganz jung, zwischen fünf und elf Jahren alt. Stellen wir uns bildhaft eine Fünfjährige aus der Nachbarschaft oder dem nächsten Kindergarten vor, wie sie – statt mit Gleichaltrigen zu spielen – in einem überhitzten Saal am Webstuhl schuftet oder auf pestizid-verseuchter Plantage Kakao ernten muss: ein Bild des Grauens. Die Hälfte der Kinder muss unter gefährlichen, gesundheitsschädlichen Bedingungen malochen. Sagt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO, 2017).

Manchmal wenden Kulturkenner ein, dass es in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern seit Jahrhunderten Brauch ist, dass die ganze Familie und selbstverständlich auch die Kinder nach der Schule im bäuerlichen oder gewerblichen Familienbetrieb mithelfen. Ziehen wir diese „Familienhelfer“ ab, bleiben immer noch Millionen Kinder übrig, die außerhalb ihrer Familien ausgebeutet und verheizt werden. Drastische Wortwahl?

Das ist noch freundlich ausgedrückt im Vergleich zu dem, was Sie und ich zu Ohren bekommen, wenn wir uns mal mit einem/r Fairtrade-Referent/in unterhalten. Oft sind solche ExpertInnen in den Weltläden anzutreffen. Eine dieser Referentinnen erzählte uns jüngst von einem asiatischen Land, in dem Kinder in die Großstädte zum Arbeiten reisen. Schon hier stockt uns der Atem: Kinder verlassen ihre Eltern, um in den Städten zu arbeiten? In den Städten finden sie jedoch nicht die erhofften Jobs, sondern werden kurzerhand versklavt und weggesperrt. Es dreht einem den Magen um. Richtig mies fühlen wir uns, wenn wir daran denken: Und wir kaufen die von Kinderhand gefertigten Produkte auch noch! Kleidungsstücke, Schokolade, Fußbälle, Spielzeug, exotisches Obst … Rund 70 Prozent der Kinder arbeiten in der Landwirtschaft.

Das überrascht viele. Dass Kinder in den Blutminen Afrikas zu Tode geschunden werden, wissen wir hierzulande. Dass die Minenarbeit jedoch nur die Minderzahl der Missbrauchsfälle ausmacht, ist dagegen weitgehend unbekannt. Der überwiegende Kindesmissbrauch findet auf Feldern, Äckern und Plantagen statt. Und wir kaufen das alles.

Es sei denn, wir achten auf das Siegel. Die Fairtrade-Organisation ist die erste, die einräumt, dass sie nicht garantieren kann, dass ihre Produkte hundertprozentig frei von Kinderarbeit sind. Doch sie versucht es wenigstens so weit wie möglich und schließt zumindest gefährliche, gesundheitsgefährdende und Kinderarbeit unter dem Mindestalter nach ILO-Standards komplett aus: Kaufen mit gutem Gewissen. Und so einfach!

Noch vor wenigen Jahren mussten wir dafür in die Weltläden, die immerhin nicht ganz so weitverbreitet sind wie Discounter und Supermärkte. Doch inzwischen hat jeder anständige Discounter, jeder Supermarkt auch wie selbstverständlich Fairtrade-Produkte im Sortiment. Die sind aber teurer? Danke für den Einwand, über den ich unlängst mit einer Studentin am Obstregal diskutierte.

Auf meinen provokanten Hinweis, dass die Fairtrade-Bananen aber teurer seien, meinte sie trocken: „Logisch, der Aufpreis kommt den Kindern und der Umwelt zugute.“ Das mag betriebswirtschaftlich nicht voll korrekt sein – doch es ist die Mega-Motivation: Mit jedem Cent, den ich mehr bezahle, tue ich was Gutes! Gutes Gefühl? Und wie! Ich muss das ja nicht immer tun – wer hat schon so viel in der Haushaltskasse? Nicht immer, aber immer öfter.

Was Fairtrade auch garantiert, ist ein Mindestabnahmepreis für Produkte wie Honig, Kakao, Reis, Baumwolle oder Zucker. Denn nicht immer ist es die Bösartigkeit der Menschen, die Kinder zur Zwangsarbeit presst. Oft bleibt den armen Familien und Betrieben keine andere Wahl, wenn die Preise verfallen: Dann müssen auch die Kinder ran.  Garantierte Mindestpreise schützen vor Preisverfall. Außerdem lobt Fairtrade Prämien für die Erzeuger aus. Wer eine dieser Prämien zugesprochen bekommt, verpflichtet sich, einen nicht unerheblichen Prozentsatz davon direkt in die Verbesserung von Hygiene, Arbeitsschutz und Wohnsituation seiner Arbeiter zu investieren. Auch das befreit Kinder aus der Notlage, aus ökonomischem Zwang arbeiten zu müssen.

Es lohnt sich also, beim Einkauf die verschiedensten Produkte in die Hand zu nehmen und genauer zu betrachten:  Ist das Fairtrade-Siegel drauf? Entweder für das Endprodukt oder für Rohstoffe wie Kakao (bei Schokolade) oder Baumwolle (bei Kleidung), die in das Endprodukt eingeflossen sind? Dann können wir guten Gewissens zugreifen. Das tun mittlerweile immer mehr Menschen weltweit und hierzulande, wie die Zahlen zeigen: Gutes tun liegt im Trend und die Anzahl der fairen Produkte in den Regalen nimmt stetig zu. Die Nachfrage steuert das Angebot. Wir steuern das Angebot. Das ist die Macht des Konsumenten; das ist unsere Macht.

Es wäre zu wünschen, dass wir diese Macht auch weiterhin für die gute Sache ausüben. Damit sich die Verhältnisse in wenigen Jahren umdrehen: Was kein Fairtrade-Siegel hat, lässt sich nicht mehr verkaufen. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Denn jedes einzelne von den 152 Millionen arbeitender Kinder ist ein Kind zu viel.

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