Was haben Sie letzte Woche Schönes, Nützliches, Notwendiges oder Ausgefallenes gekauft? Und wie?
Im Laden gewesen? Oder online? Oder beides? Online informiert und dann stationär gekauft. Oder leider umgekehrt: Im Laden sich gratis (leider nicht – für den Händler – kostenlos) beraten lassen und dann preisgünstiger online gekauft. Alles geht, alle Kanäle werden bekauft, weshalb man auch von Cross-Channel, Multi-Channel oder Omni-Channel spricht. Oder neuerdings von Noline-Handel. Online kennen wir schon und offline. Jetzt haben wir gar keine Line mehr, denn als Kunden ist uns herzlich egal, über welche Linie das kommt – Hauptsache, es kommt so schnell, bequem, günstig und einfach wie möglich. Schöne neue Konsumwelt?
Schön wär‘s ja. Doch der medial viel gepriesene moderne elektronische und mehrkanalige Einkauf hat seine erstaunlich hartnäckigen Tücken. Zum Beispiel: Da schaffe ich es endlich, mich online in einer erdrückenden Fülle von Produkten für ein bestimmtes zu entscheiden, lege es in den Warenkorb, wähle unter „im Laden abholen“ ein Geschäft, das auf meinem Weg liegt – und dann zeigt mir das System nach dem letzten von unzähligen Klicks: „in Ihrem PLZ-Bereich leider nicht verfügbar“. Ein klarer Fall von DKF – Digitalem Konsum-Frust. Trotzdem lassen wir uns nicht davon abhalten.
Trotzdem bestellen wir online, als ob morgen das Geld abgeschafft würde. Der Anteil des E-Commerce-Anteils am Einzelhandelsumsatz beträgt inzwischen 12 Prozent, Tendenz steigend. Experten schätzen, dass sich dieser Anteil in den nächsten 20 Jahren verdreifachen wird. Wie denn? möchte man fragen, angesichts des Fachkräftemangels in der Logistik: LKW-Fahrer zum Beispiel sind mittlerweile heftiger gesucht als Uni-Professoren. Auch andere Logistik-Fachkräfte fehlen allenthalten.
Es ist nicht (nur) so, dass die Roboter den Menschen verdrängen. Es ist in vielen Bereichen leider inzwischen so, dass die Automaten jene Arbeiten übernehmen, für die man nicht mehr genügend Menschen findet.
Deshalb setzt die Handelslogistik vermehrt auf Automatisierung. Diese spart nicht nur Kosten und macht den Handel schneller, sondern übernimmt die Arbeit dort, wo Menschen fehlen. Es gibt bereits Hochregallager, in denen das Einscannen der angelieferten Ware noch der einzige menschliche Handgriff ist. Danach läuft alles vollautomatisch: Ein Fördersystem bringt die Ware an ihren Lagerplatz, von dem sie dann auch wieder vollautomatisiert zur Versendung abgerufen wird. Bei den Retouren funktioniert das leider noch nicht immer so rund. Und der Anteil der Retouren im Handel ist hoch.
Bei Textilien liegt er zum Beispiel teilweise bei fünfzig Prozent. Bei statistischen Ausreißern wie den modischen Damenschuhen bei – was tippen Sie? Es ist der Damenwelt wahrscheinlich überaus peinlich, doch es werden im Schnitt 86 Prozent dieser hoch modischen Schuhe retourniert. Hier kann die Automatisierung noch nicht helfen. Bei der Sichtprüfung von Retouren und bei deren Wiederaufbereitung ist der Mensch jedem Roboter noch haushoch überlegen. Der Handel wehrt sich mannhaft gegen die Retouren-Flut. Zuletzt erregte Ikea Aufsehen mit einer Einschränkung des Rückgaberechts – ein aussichtslos scheinender Kampf. Denn letztendlich ist es das, was wir wollen: Wir wollen alles auf Probe bestellen und gegebenenfalls zurückschicken können. Was wollen wir noch?
Laut einer aktuellen Studie ist der Fokus der Online-Händler allen voran zumindest: Liefertreue. Wenn der Versender sagt, das Paket kommt „in 2 Tagen“, dann muss es auch in zwei Tagen ankommen. Außerdem ebenfalls immer wichtiger: Sendungsverfolgung, gerade auch spannend bei der 24-Stunden-Belieferung. Um auch möglichst bei der Erstanlieferung erfolgreich zu sein, sind außerdem frei wählbare Zustellorte (eigene Adresse, Adresse vom Nachbarn, ins Ladengeschäft, zur Packstation oder Paketbox …) im Fokus. Dass wir alle irgendwann mal am Feinstaub, den verkehrsverstopften Innenstädten und am Lärm ersticken, den unsere Konsumwut via Lieferverkehr anrichtet, ist inzwischen jedoch keine mittelfristige Gefahr mehr.
Denn die Handelsunternehmen testen gerade die Umstellung auf Hybrid-Auslieferung: Vom Auslieferungslager bis zum Stadtrand fährt der Liefer-LKW mit seinem Dieselmotor, vom Stadtrand zur Filiale in der Stadtmitte fährt er mit dem fast geräuschlosen Elektro-Motor. Damit könnte er eine Ausnahmegenehmigung für die Nachtbelieferung erhalten. Das wiederum hätte weniger Schadstoffe für die Innenstädte zur Folge und tagsüber weniger Lärm und Verkehrschaos: Jeder Transporter, der nachts fährt, verstopft und vermieft tagsüber keine Innenstadt. Ein Wandel, der uns allen spürbar guttun würde. Aktuell verschreibt sich der Handel intensiv diesem Wandel.
Denn längst geht es nicht mehr darum, dass der Handel uns mit all dem beliefert, was wir wollen. Es geht heute und noch viel mehr in Zukunft vor allem darum, dass der Handel uns versorgt, wie wir es wollen.
..jetzt fühle ich mich bei einigen Passagen ertappt. Regt zum Nachdenken an.