Auf dem E-Highway

Jetzt reden wieder alle (Medien, Politiker und Protestierer) darüber, dass Deutschland seine Klimaziele nicht erreicht. Was Deutschland alles tut, um das Klima zu retten – wer redet darüber?

Wir. Zum Beispiel: der E-Highway. An drei Stellen in Deutschland bereits testweise Realität (oder zumindest geplant): LKW mit Oberleitung. Im Prinzip dasselbe wie bei Bahn und Straßenbahn. Der LKW fährt seinen Stromabnehmer aus, zapft die Oberleitung an und fährt dann nicht mehr mit Diesel, sondern mit Strom.

Eine dieser Teststrecken verläuft auf der A5 beidseitig von Langen/Mörfelden nach Weiterstadt nördlich von Darmstadt. Sie beginnt nicht weit vom Logistikzentrum des Frankfurter Flughafens, wo täglich mächtig viel Tonnage umgeschlagen wird und verläuft auf einer eigenen, abgegrenzten, circa 5 km langen Fahrbahn.

Der Test läuft noch bis Ende 2022 und das entlang einer Strecke, die 14.000 LKW befahren; täglich. Wenn die alle mit Strom statt mit Diesel fahren würden – die Luft wäre deutlich besser.

Das Projekt heißt „ELISA“ (Elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen) und kostet 15 Mio. Euro. Das klingt nach viel Geld, doch zwei komplette Autobahnspuren (hin und zurück) mit Oberleitung auszustatten ist auch keine Gartenlaube. 229 Masten wurden dafür verbaut – pikanterweise nicht vom Verkehrs-, sondern vom Umweltministerium. Ein Schelm, wer daraus die Prioritäten des Verkehrsministeriums ableitet …

Fünf Speditionen beteiligen sich an dem Versuch mit ihren Hybrid-LKW, die entweder mit Diesel, mit Strom aus der Oberleitung oder mit Strom aus ihrem Akku angetrieben werden. Der normale Fahrbetrieb ändert sich dadurch nicht, denn die Stromabnehmer der LKW sind so konzipiert, dass sie bei den 90 km/h, die ein LKW auf deutschen Autobahnen fahren darf, während der Fahrt aus- und wieder eingefahren werden können, ohne dass der LKW anhalten muss.

Derzeit umfasst das deutsche Autobahnnetz rund 13.000 km. Wenn 15 Mio. Euro circa 5 km E-Highway ergeben, dann käme die Elektrifizierung des kompletten Netzes über den Daumen auf 39 Mrd. Euro. Bei einem aktuellen Bundeshaushalt von 356 Mrd. wären das 11 Prozent – ein günstiger Preis für die eigene Zukunft und ein Klima, für das uns unsere Enkel nicht verfluchen. Die Welt zu retten ist nicht ganz billig – aber doch wohl finanzierbar. Und vor allem: extrem rentabel. Unsere Kinder sollten es uns wert sein. Sollte man meinen.

Doch wir sind ja in Deutschland. Deshalb wird sogar dieses Wir-retten-mal-schnell-die-Welt-Projekt kritisiert. Die wohlfeilste Kritik? Natürlich: „Nicht genug!“ Kritiker monieren, man müsse neben den Autobahnen selbstverständlich auch die Bundes- und Landesstraßen elektrifizieren. Klar, natürlich. Aber sollten wir der Regierung nicht erst einmal applaudieren, dass sie wenigstens die Autobahnen ins Visier nimmt? Und schon jetzt. Also nicht erst, wenn Sylt unter Wasser steht …

Woher der Strom kommen soll, wenn tatsächlich alle Autobahnen elektrifiziert sind, ist auch noch nicht klar. Doch das wäre ein tolles Investitions- und Arbeitsplatzsicherungsprojekt für Straßen- und Automobilbau. Beide Industrien hätten auf Jahre ausgesorgt.

Effizient ist das Ganze auch noch: Der Wirkungsgrad bei der Übertragung von der Oberleitung ins Fahrzeug beträgt 80 Prozent. Und: Fahren die LKW bergab, kann die Bremsenergie wieder ins Versorgungsnetz eingespeist werden; KERS sei Dank, das wir aus der Formel 1 kennen: Kinetic Energy Recovery System.

Auf jeden Fall ist die Umweltministerin mit dem E-Highway-Projekt auf dem richtigen Weg (auch wenn das die veröffentlichte Meinung ignoriert). Alles, was Luft, Umwelt und Menschen von Abgas und Feinstaub entlastet, ist gut. Jeder Kilometer ohne Dieselmief ist ein guter Kilometer! Wer scharf mitgedacht hat, wird hier einwenden: Das schafft die Bahn schon lange! Denn die Bahn ist schon lange streckenweise elektrifiziert. Güter gehören auf die Bahn! Anstatt die Güter mit der elektrifizierten Bahn zu transportieren, elektrifizieren wir also lieber die Autobahnen – oder eben nicht.

Denn die hessische Teststrecke soll erst einmal belastbar die Frage klären: Wieviel Schadstoffe werden durch die Elektrifizierung tatsächlich vermieden? Für die wissenschaftliche Fundierung der Antwort sorgt die TU Darmstadt. Daneben soll das Projekt die Alltagstauglichkeit von E-LKW und Oberleitungssystem testen.

Spät tun wir was für uns und das Klima – doch wir tun immerhin etwas. Das ist gut. Wäre es nicht klug, statt der ständigen Meckerei über verfehlte Klimaziele uns auf dieses Gute zu konzentrieren und wie wir mehr vom Guten tun könnten?

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