Im Bauch der Stadt

Wenn es um dicke Luft in Deutschlands Städten geht, denken wir reflexhaft sofort woran?

Ja, der Reflex der Political Correctness. Dabei sind Fahrverbote für Diesel nun wirklich keine gute Lösung. Doch über intelligente Rezepte wird nur selten berichtet. Intelligenz als Tabu?

Brechen wir es! Zum Beispiel mit Hamburg. Für die Hansestadt stellen nämlich der Projektentwickler Four Parx und das Fraunhofer IML eine untergründige Machbarkeitsstudie zum Logistikkonzept „Smart City Loop“ an: Hamburg wird unterkellert.

Smart City Loop wurde erst im Dezember durch Bundesumweltministerin Svenja Schulze als eines der Gewinnerprojekte des Wettbewerbs „Nachhaltige Urbane Logistik“ ausgezeichnet. Es verlegt die vorletzte Meile der urbanen Logistik von den Straßen in den Bauch der Stadt. Tief unter der City sollen die Paletten unter den Häusern durch flitzen.

Während sich oben der Verkehr staut und kein Parkplatz mehr zu finden ist, ist unter der Stadt nämlich noch genug Platz. Bislang winkten Dieselverbieter und Großbedenkenträger noch ab: „Güterverkehr im Untergrund? Viel zu teuer!“ Genau das bezweifeln Four Parx, die eigens für das logistische Projekt gegründete Smart City Loop GmbH und das Fraunhofer IML. Sie wollen erst nachrechnen. Am konkreten Beispiel.

Was würde zum Beispiel eine Doppelröhre von 5 km Länge zwischen dem Stadtteil Wilhelmsburg, der etwas außerhalb liegt, und Hamburg Altona kosten und bringen? Das Auslieferungslager in Wilhelmsburg würde Altona dann unterirdisch versorgen. Von Altona geht es mit E-LKW und E-Bikes auf die letzte Meile zum Kunden. Kostenpunkt für beide Röhren: 60 Mio. Euro.

Im gewerblichen Bereich ist das keine Summe. Wieso geht das so preisgünstig? Weil das Konzept 2,80 m breite Röhren statt Tunnel vorsieht. Während 1 km Tunnel mehr als 100 Mio. Euro kostet, kostet dasselbe in Röhren lediglich 3 Millionen – und ein deutlich einfacheres Genehmigungsverfahren.

Das Konzept geht davon aus, dass so eine Röhre tausend LKW-Fahrten pro Tag ersetzen kann. Mit der Hamburger Doppelröhre könnten also 2.000 LKW-Fahrten jeden Tag eingespart werden: weniger Stau, weniger Zeitverlust, weniger Lärm, weniger Dichtestress, mehr Luft- und Lebensqualität. 5.000 Paletten könnten täglich durch die Röhren flitzen – elektrisch angetrieben. Wenn das technisch, finanziell, rechtlich und städtebaulich möglich ist. Genau das prüft die aktuelle Feasibility-Studie.

Der Clou daran: Nicht die Stadt Hamburg stellt die Studie an, beauftragt und finanziert sie, sondern die drei Studienpartner aus Wirtschaft und Wissenschaft. Wenn die Städte, in denen wir leben, nicht genug Phantasie und Konzeptionskompetenz entwickeln, um wieder lebenswert zu werden, müssen die Bürger das selber in die Hand nehmen – und nicht nur für die Klimarettung protestieren, sondern auch mal die eine oder andere Idee durchkonzipieren (lassen).

Der Geschäftsführer von Smart City Loop, Christian Kühnhold, meint: „Wir sind überzeugt, dass wir hier ein verkehrstechnisch, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Projekt realisieren können.“ Mit Vorbildfunktion für praktisch jede andere größere Stadt. Wenn es klappt und die Machbarkeitsstudie positiv ausfällt. Was nicht selbstverständlich ist, wie Jeff Bezos unlängst unfreiwillig demonstrierte, als er für 2018 die Belieferung von Amazon-Kunden mit Lieferdrohnen in Aussicht stellte. Wie wir wissen, hat es damit noch nicht geklappt …

Wenn die Hamburger Machbarkeitsstudie Machbarkeit nachweist – warum sollte man das dann nicht machen? Warum sollte man unsere verstopften und vermieften Städte nicht unterkellern und den ganzen lästigen Güterverkehr im Untergrund abwickeln? Die Ergebnisse der Studie sollen im Herbst vorliegen – wir sind gespannt darauf.

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