Neulich war ich auf Einladung des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, bei einem Gespräch in kleiner Expertenrunde zum Thema „Verantwortung und Transparenz in globalen Lieferketten“. Wie sich herausstellte: Der Minister hatte mein Buch gelesen („Wie viele Sklaven halten Sie?“) und die Thematik spontan mit seinem Wirkungsbereich verbunden.
Denn er kämpft praktisch von Amts wegen für saubere, grüne, faire, soziale und ökologisch nachhaltige Lieferketten aus der dritten Welt und aus Schwellenländern heraus. Ist ja auch widersinnig, wenn auf der einen Seite das Ministerium Millionen Euro in die Entwicklungshilfe steckt und auf der anderen Seite die Menschen in den Entwicklungsländern versklavt, ihre Ressourcen verschleudert und ihre Umwelt zerstört wird – bloß damit wir weiter ungehemmt einkaufen, konsumieren und online shoppen können.
Um den Tisch saß eine Handvoll Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft. Was soll ich sagen? Wenn man die große Politik außerhalb der offiziellen Kanäle erlebt, ist sie äußerst direkt, konstruktiv und zielorientiert.
Wir sprachen offen über die Segnungen der Globalisierung, aber auch über die Missstände in den internationalen Liefernetzwerken. Das heißt im Grunde über das, was wir täglich beim Discounter, im Laden oder im Supermarkt kaufen oder online bestellen und dann mehr oder weniger ohne einen Gedanken an die Sklaven konsumieren, die für unseren Konsum ihre Freiheit und Gesundheit dransetzen. Wir sprachen darüber, was noch dagegen getan werden kann, zum Beispiel auch über den Grünen Knopf. Wäre schön, wenn es sowas gäbe?
Einen Knopf, den man bloß drücken muss und schon ist alles grün, ökologisch sauber und sozialverträglich entlang der Lieferkette? Keine Sklaven mehr und keine verpesteten Landschaften? An so einem Knopf arbeiten der Minister und sein Team derzeit.
Und natürlich ist es kein Knopf zum Drücken, sondern zum Annähen und Angucken: Es ist das erste staatliche Siegel für fair und ökologisch nachhaltig produzierte Kleidung. Das Siegel soll es uns einfacher machen beim Einkauf im Laden und Online. Ein Blick auf den grünen Siegel-Knopf am Kleidungsstück und man weiß, dass man Gutes tut und bekommt. Nicht nur gute Qualität, sondern auch gute Moral, in einem Wort, genauer gesagt in zweien: Fair Fashion (statt Fast Fashion).
Wo der Knopf dran ist, da sind keine Sklaven und Umweltsünden drin. Keine verpesteten Plantagen und kein Lohn, von dem keine Familie leben kann. Der Grüne Knopf könnte all das leisten, was sich jene von uns, die ganz bewusst einkaufen – und nicht bloß „preisbewusst“, das heißt „billigst“ – schon lange wünschen. Es ist ja nicht so, dass wir uns gern zum Sklaventreiber machen lassen! Doch wo keine Transparenz durch verlässliche Siegel herrscht, da wird man schneller ein Ausbeuter als einem lieb sein kann.
Und natürlich, wir sind ja in Deutschland: So jung die Minister-Initiative noch ist, sie wird bereits kritisiert, wie übrigens alles, was gut und richtig ist. Moniert wird: Der Grüne Knopf in der Knopfleiste, wenn er denn kommt, sei ja dann immer noch „nur“ freiwillig. Es ist ganz erstaunlich, wie schnell sich manche vom Boden der marktwirtschaftlichen Realität ablösen.
Sobald wir alle nämlich beim Textilkauf verstärkt den Grünen Knopf kaufen, ziehen die Nicht-Zertifizierten nolens volens nach, weil sie keinen Umsatz einbüßen wollen. So funktionieren Märkte. Bevor man mit dem Gesetzeshammer kommt, setzt man zunächst auf Marktmechanismen – deshalb heißt das Ding, in dem wir leben und kaufen, auch „Marktwirtschaft“ und nicht „Zentralplanwirtschaft“. Man muss nicht alles von dirigistischer Hand reglementieren, wenn man sich auf die Invisible Hand des Marktes verlassen kann. Den Begriff prägte Adam Smith übrigens schon im 18. Jahrhundert. Und der Markt regelt das schon!
Abseits staatlicher Zertifikate gibt es bereits viele kleine Labels, die Fair Fashion herstellen und vertreiben und die in jedem Mode-, Frauen- und Freizeit-Magazin im Print und online aktuell verstärkt diskutiert werden. Der Markt ist nicht so plattfüßig wie ihn die Regulationsapostel gerne postulieren. Selbst große Mode-Label haben inzwischen grüne Kollektion und damit ist nicht die Modefarbe der Saison gemeint.
Selbst die Implikation für unsere Staatsform wird oft und gerne übersehen: Ob und wie stark sich Fair Fashion durchsetzt, hängt nicht nur von „Der Regierung“ oder „Der Wirtschaft“ oder gar „Der Wissenschaft“ ab. Sondern hauptsächlich von Ihrem und meinem Einkaufskorb; dem digitalen wie dem realen mit den quietschenden Rädern. Wir wählen nicht nur Parteien.
Wir wählen auch die Welt, in der wir leben wollen: Wählen mit dem Einkaufskorb. Wenn ich heute Kinderklamotten mit Fairtrade-Siegel wähle, dann kaufe ich damit nicht nur Klamotten, sondern stimme an der großen Wahlurne des Universums über das Schicksal der Welt ab. Ich stimme für eine faire, transparente Welt, in der alle, die an der Jeans mitgestrickt haben, auskömmlich leben können und in der die Umwelt überleben kann. Wem geben Sie Ihre Stimme?