Corona, natürlich

So sehr wir uns auch bemühen, wir kommen an dem Thema nicht vorbei. Uns interessiert daran vor allem ein Aspekt: Geschwindigkeit.

So hat die Künstliche Intelligenz von BlueDot, einer kanadischen Gesundheitsplattform, bereits neun Tage vor der ersten offiziellen WHO-Meldung vor dem Ausbruch einer Epidemie gewarnt. Wieso war BlueDot schneller als die Leute, die wir mit unseren sauer verdienten Steuern bezahlen? Und warum spielt das eine Rolle?

Weil bei Epi- und Pandemien gilt: Je früher man‘s weiß und warnt, desto besser. Je früher viele Menschen Bescheid wissen, desto weniger und weniger schnell verbreitet sich ein Erreger. Neun Tage Vorsprung nach dem Startschuss einer Pandemie machen eine Menge aus; Menschenleben zum Beispiel. Die WHO und andere offizielle Stellen verschliefen diesen fliegenden Start und blieben bräsig im Startblock hocken, aus welchen Gründen auch immer, während Corona schon mal lospreschte. Sie ließen diese kritischen neun Tage verstreichen, während BlueDot bereits Bescheid wusste. Warum überhaupt?

Denn die letzte Künstliche Intelligenz, die sich an Epidemie-Prognosen versuchte, war Google Flu Trends, die abgeschaltet wurde, weil sie mit ihren Vorhersagen grob daneben lag. Ihr Algorithmus rechnete Suchanfragen auf Google zum Thema Grippe hoch und beging dabei den offensichtlichen Fehler (die Programmierer, nicht die KI): Nicht jeder, der „Grippe“ googelt, ist krank und nicht jeder, der krank ist, googelt, und beide Fehler heben sich – offensichtlich – nicht auf.

Dagegen hat die KI von BlueDot dazugelernt – ebenso offensichtlich. Sie warnte bereits am 31.12.2019 vor der Ausbreitung von Viren unbekannter Herkunft. Weil sie nicht Suchanfragen von Bürgern analysiert, sondern viel breiter basiert ist, nämlich auf fremdsprachigen Nachrichten, wissenschaftlichen Publikationen für Tier- und Pflanzenkrankheiten, aber auch auf offiziellen Meldungen. Das ergibt – wie wir gesehen haben – ein sehr viel präziseres Bild der nahen Zukunft.

BlueDot informierte noch an Silvester nicht nur deskriptiv, sondern auch präskriptiv: Die KI empfahl, Wuhan weiträumig zu meiden – lange bevor offiziell von Quarantäne die Rede war. BlueDot war schneller als alle Organisationen, die offiziell mit unserer Gesundheit betraut sind. Neun Tage schneller. Wie viele Zehntausende Menschen weltweit hätten sich nicht angesteckt, wenn sie neun Tage früher Bescheid gewusst hätten? Wie viele zehntausend Kilometer kam das Virus in diesen neun Tagen weiter? Es ist ganz erstaunlich, wie Regierungen mit Gesundheit und Prognosen, Zahlen und Geschwindigkeit umgehen. Alle reden davon, dass sie in disruptiven Zeiten agil werden müssten – nur die Politik nicht: Agile Bureaucracy? Ein Oxymoron.

Geschäftsreisende, die im Dezember BlueDot besuchten, konnten noch problem- und vor allem ansteckungslos ihre geplante China-Reise stornieren. Das ist der verstecke Vorteil des Internets: Wer weiß, wo unter Fake News begraben die Nuggets liegen, sitzt auf einem Schatz, den er kostenlos heben kann.

Dabei war BlueDot nicht nur in der Lage, das Auftreten der Pandemie vorherzusagen, sondern auch in welche Metropolen das Virus als erstes exportiert werden würde – und lag wieder richtig: Bangkok, Seoul, Taipeh und Tokio. Basis dieser Vorhersage waren die weltweiten Ticket-Verkaufsdaten von Fluggesellschaften. Damit konnte die KI vorhersagen, wann infizierte Menschen wohin reisen und das Virus verbreiten würden. Frage: Wie viele Gesundheitsminister sind auf BlueDot eingeloggt? Unserer auch?

Wie viele HR-Abteilungen, die für ihr Management Flugreisen buchen, kennen BlueDot? Ich meine, seit Jahren predigt unser hauseigener Futurist Dr. Heiko von der Gracht vom Risiko-Radar, das jedes Unternehmen, das seine Zukunftskompetenz stärken möchte, einrichten sollte. Auf wie vielen davon blinkt BlueDot? Wie viele Geschäftsreisende konsultieren solche Frühwarnsysteme? Und wer unterrichtet jene, die es nicht tun, von ihrer groben Fahrlässigkeit?

Ein weiterer Nachteil von Flu Trends war damals: Viele private Nutzer waren nicht in der Lage, ihre Symptome korrekt zu beschreiben – dadurch wurde aus dem Algorithmus ein Schätzen auf gut Glück. BlueDot vermeidet das, indem die KI auf offizielle Meldungen zurückgreift, die sich klarer ausdrücken. Auch für die sogenannte Künstliche Intelligenz gilt: Garbage in, garbage out. Wenn eine KI dagegen gut funktioniert, kann sie uns besser informieren als WHO, Regierungen und offizielle Stellen. Die parlamentarische Aufsicht findet im Internet statt. Wer wissen will, was auf der Welt los ist, konsultiert jene Stellen im Internet, an denen es echte Informationen gibt. Oder vertraut einer verlässlichen Künstlichen Intelligenz. Das hat sich bewährt.

Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz zum Beispiel für die Risiko-Früherkennung ist groß und großartig – für jedes Risiko, nicht nur für Viren. So warnen KI’s zum Beispiel bei der visuellen Früherkennung zuverlässig und frühzeitig vor Schäden an kritischer Infrastruktur. In Sydney beispielsweise wurde maschinelles Lernen erfolgreich eingesetzt, um jene unterirdischen Wasserleitungen verlässlich zu identifizieren, die ein erhöhtes Ausfallrisiko tragen. Amerikanische Stadtverwaltungen nutzen KI’s, um unter den Tausenden Immobilienobjekten jene treffsicher auszuwählen, an denen sich bauaufsichtliche Inspektionen am meisten lohnen. Warum?

Warum machen das nicht Menschen? Weil dazu ein hohes Maß an Expertise nötig ist. So hoch, dass experten-gestützte Vorhersagen so ressourcen-intensiv sind, dass sie nur in langfristigen Intervallen durchgeführt werden können – in einer sich dynamisch wandelnden Welt also viel zu selten und zu spät. Die KI dagegen ist 24/7 erreichbar, ist bezahlbar und braucht auch keinen Urlaub.

Während also Hunderttausende im Internet Fake-Trollen aufsitzen, die behaupten, die NASA haben Corona im Labor gezüchtet, damit Marsianer die Welt erobern, wissen ein paar Dutzend Menschen, wo im Internet die Wahrheit versteckt ist. Nicht nur, was Corona angeht. Auch vor der letzten Weltfinanzkrise haben wenige verlässliche Quellen relativ genau und frühzeitig gewarnt – und nur wenige kannten diese Quellen. Doch genau das ist die zentrale Schlüsselkompetenz der Zukunftsfähigkeit des einzelnen Menschen und der Menschheit an sich: den richtigen Link kennen. Für Gesundheit, Finanzen, Erfolg und Lebensglück.

Denn eines ist in diesen unsicheren Zeiten in einer unsicheren Welt absolut sicher – und wenn es das einzige ist, was sicher ist: Corona war nicht die letzte und nicht die schlimmste Disruption unseres modernen Lebens. Weitere werden folgen. Gut, wer sie alle auf dem Radar hat, weil er und sie weiß, wo das beste Radar steht.