CO2-negativ?

Das Klima stirbt noch immer; die Leute strengen sich zu dessen Rettung an; einige mehr, die anderen weniger. Microsoft strengt sich mehr an – oder hat es zumindest vor.

Anfang des Jahres teilte Microsoft als erstes großes Unternehmen mit, dass es nicht nur CO2-neutral bleiben will, sondern sogar CO2-negativ. Das heißt: Das Software-Imperium will mehr CO2 aus der Atmosphäre herausbekommen als es in die sie hinein pustet. Bis zum Jahr 2030 wollen die Leute in Redmond keine neutrale, sondern eine negative CO2-Bilanz. Wo kämen wir da hin, wenn das alle machen würden?

Die Frage eröffnet ein seltsames Klima-Paradoxon: Ein Unternehmen kann CO2-negativ werden – aber kann das auch ein einzelner Mensch?

Jede(r) von uns fährt ja weiter mit CO2-Schleudern (PKW und ÖPNV schleudern gleichermaßen), bestellt im Internet und lässt damit Transporter-Flotten fahren, isst weiter Tiere und trägt Kleidung aus Asien. Wir stoßen also munter direkt oder indirekt (via Lieferkette) weiter Gas aus. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite beobachtet man nur ganz selten Menschen, die zum Ausgleich für ihre CO2-Sünden Bäumchen pflanzen, um das verursachte CO2 wieder aus der Luft zu filtern (natürlich: einige Unternehmen und Lieferdienste, bei denen wir bestellen, setzen auf diese Art der Klima-Kompensation). Was, nebenbei gesagt, die denkbar simpelste Methode zur Klimarettung ist.

Das haben wir an der Schule gelernt (wenn wir uns erinnern): Photosynthese. Das Bäumchen nimmt CO2 auf und gibt Sauerstoff ab. Aber wie gesagt: Wenn keiner von uns Bäumchen pflanzt …

… dann könnten uns zumindest Unternehmen wie Microsoft von unserer Klimascham erlösen. Indem sie zum Beispiel mit Carbon Capture and Storage das schädliche CO2 direkt aus der Umgebungsluft herausfiltern und dann wegspeichern. Nicht mit Bäumen, sondern mit Technik. Japan praktiziert diese Technik bereits und pumpt das gefilterte Klimakiller-Gas unter den Meeresboden – was umstritten ist.

Denn wehe, der Druck der unterirdischen Gasblase wird zu hoch. Dann drohen tektonische Spannungen.

Nach eigenen Angaben ist Microsoft bereits seit 2012 CO2-neutral. Deshalb setzt sich das Unternehmen jetzt das ehrgeizigere Ziel. Wie will es das erreichen?

Indem es zum Beispiel die interne CO2-Steuer auf Lieferanten ausweitet. Momentan wird bei Microsoft eine Tonne CO2 intern mit 5 US-Dollar besteuert. Diese Kosten sollen nun auch bei der Lieferantenauswahl angesetzt werden: Ein Anreiz für Einkäufer, auf Lieferanten mit möglichst niedrigem CO2-Ausstoß zu setzen und für Lieferanten, möglichst wenig Treibhausgas zu produzieren.

Außerdem gibt Microsoft eine Milliarde Dollar für einen Climate Innovation Fund aus, der in ein ganzes Spektrum innovativer Nachhaltigkeits-Projekte investiert.

Und: Microsoft bezieht in seine CO2-Bilanz nicht nur seine Supply Chain, Geschäftsreisen und Baumaterialien ein, sondern auch den CO2-Ausstoß seiner Kunden bei der Nutzung von Microsoft-Diensten. Das allerdings ist beachtlich: Die CO2-Bilanz von Microsoft wird damit zur ganzheitlichen Bilanz – die einzige Bilanz, die Sinn macht. Alles andere ist Greenwashing. Warum strengt sich Microsoft derart an?

Weil die IT-Branche mit ihrem gigantischen Wachstum inzwischen ein echter Klimakiller ist. Unabhängige Experten schätzen, dass die Cloud-Anwendungen allein von Microsoft, Google und Amazon sowie Streamingdiensten wegen der gigantischen Rechenzentren und ihrem nicht minder gigantischen Stromverbrauch mit mehr CO2 das Klima vergiften als die globale Luftfahrt – und diese bläst bereits eine Menge Gas in die Atmosphäre.

Microsoft will CO2-negativ werden und setzt damit eine neue Benchmark: Alle Unternehmen sollten sich dieses Ziel setzen. Warten wir darauf? Sicher nicht. Wir kontaktieren den Online-Shop unserer Wahl via Website und fragen nach, wann er vorhat, CO2-negativ zu werden. Die Unternehmen tun was? Wir auch.

 

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