Hier kommen die Enten!

Wir kennen die Tragödie der letzten Meile, denn wir sind ihre Hauptdarsteller – wenn auch in passiver Rolle: Wir sind meist nicht da, wenn der Post- oder Paketbote klingelt und deshalb nochmal kommen oder einen Nachbarn für unsere Zustellung rekrutieren muss. Einmal ganz davon abgesehen, dass der arme Bote sich dabei die Hacken rundläuft: Er kommt jedes Mal mit dem Diesel oder dem eVan vorgefahren und verpestet die Luft oder verbraucht Strom, der noch nicht komplett Öko-Strom ist. Um es kurz aber brutal zu sagen: Mit unserem Bestellkoller beschleunigen wir das Ableben von Klima und Umwelt, das wir dann nichtsdestotrotz in gespielter Unschuld umso heftiger beklagen. Und „Bestellkoller“ ist noch moderat ausgedrückt.

Allein im Jahr 2017 haben wir uns als deutsche Nation mehr als 3,35 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen zuschicken lassen. Seit dem Jahr 2000 hat sich das Sendungsvolumen fast verdoppelt. Das ist schlimm genug.

Schlimmer noch: Das 21. Jahrhundert wird auch „Das Jahrhundert der Städte“ genannte, denn die allseitig grassierende Urbanisierung hat inzwischen mehr als die Hälfte der Menschheit in die Städte oder in städtische Ballungsräume getrieben. Bis 2050 sollen drei Viertel der Erdbevölkerung, also rund sieben Milliarden Menschen in Städten wohnen. Aktuell leben 77,3 Prozent der Deutschen in Städten; Tendenz steigend. Und was wuselt in den Städten außer Menschen noch herum?

Liefertransporter, en masse. Je dichter die Städte, desto mehr Zusteller wuseln. Als Folge können wir wählen zwischen schleichender Abgas-Vergiftung und plötzlichem Verkehrskollaps. Deshalb wird eifrig geforscht, wie das Supply Chain Management die unglückselige Prozession der Liefertransporter auf der letzten Meile ausdünnen könnte – zwei Projekte stechen heraus: VanAssist und Ducktrain.

Bei VanAssist nimmt der Zusteller einige Sendungen aus seinem Transporter, stellt sie an den betreffenden Haustüren eine nach der anderen zu und muss an der letzten Haustür nicht mehr zurück zu seinem Van wandern, denn dieser hat sich bereits autonom zum nächsten Rendezvous-Punkt begeben. Endlich mal eine sinnvolle Anwendung von autonomem Fahren, welche den leidigen Stopp&Go-Verkehr von Lieferfahrzeugen enorm reduziert: Der Bote muss nicht an jeder Haustür den Wagen abstellen und wieder neu starten. Je weiter VanAssist den Van vorausfährt, desto seltener muss der Transporter angehalten und neu gestartet werden.

Richtig süß ist Ducktrain, eine von Forschern der RWTH Aachen entwickelte „Belieferung im Gänsemarsch“. Vorne draus marschiert oder radelt der menschliche Zusteller. Ihm folgt im Gänsemarsch ein Konvoi selbstfahrender Paletten, die jeweils bis zu 300 Kilo tragen können. Der „Gänse-Papa“ trägt einen Sender am Gürtel, der die Last-Gänslein folgen lässt. Da der Ducktrain nur einen Meter breit ist, kann er sich auf Radwegen bewegen und so das urbane Verkehrschaos vermeiden und entlasten – und die Umwelt. Denn zwei, drei Ducktrains ersetzen einen miefigen Paket-Diesel.

Technisch könnte das System bald schon einsatzbereit sein und unsere Städte entlasten – doch wollen wir das auch? Was, wenn so ein Ducktrain ein Kind übersieht und anfährt? Klima und Umwelt zu retten, ist ja eine schöne Sache – aber wollen wir eCommerce-Junkies deshalb auch nur auf eine einzige Bestellung verzichten? Und kann sich der Gesetzgeber einmal auf ein beschleunigtes Zulassungsverfahren einlassen? Das sind keine rhetorischen, das sind offene Fragen, auf deren Beantwortung nichts weniger als unsere Zukunft ruht.last mil

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert