Wir wollen mehr Mikrodepots!

Da sieht man mal wieder, wie begriffsstutzig wir als Menschheit sind: Die Idee gibt es eigentlich schon länger. Und es ist eine gute Idee. Doch als sie 2019 in einigen Ländern getestet wurde, sagten die üblichen Meinungsführer und Großbedenkenträger: Och, nö, dann lieber doch nicht!

Dabei ist die Idee genial:  Warum sollte der Paketbote mit seinem Transporter aus seinem Zustellbezirk den langen Weg zurück zum Verteilzentrum fahren, bloß weil sein Laster leer ist? Da werden jährlich Millionen Kilometer mit völlig unsinnigen, ineffizienten und klimaschädlichen Leerfahrten verfahren. Die geniale Idee würde diese megalomane Verschwendung ruckzuck abstellen. Aber wir wollten sie ja nicht. Bis zum letzten Jahr.

Krisen machen wohl doch lernfähig. Im letzten Jahr plötzlich wurde die Idee unter anderem hierzulande umgesetzt: Mikrodepots. Der Laster fährt nicht mehr elend lang zurück bis zum Verteilzentrum, sondern lediglich bis zum nächstgelegenen nahen Mikrodepot – und das kann alles sein. Da haben sich die Lieferdienste etwas einfallen lassen und zum Beispiel verlassene alte Tankstellen reaktiviert oder einfach einen umgebauten alten Seecontainer auf einen Parkplatz gestellt und mit Sendungen bis zum Rand gefüllt. Und von dort holt sich der Paketbote nun seinen Nachschub. Dabei ist das nicht einmal das Ende der Klimaschutz-Fahnenstange.

Wir Großstadtbewohner ärgern uns doch täglich maßlos über die Transporter, die Einfahrten blockieren, in zweiter Reihe parken und uns in der ersten Reihe zuparken – weil sie nicht anders können! Mit dem Mikrodepot können sie anders, weil sie überhaupt nicht mehr gebraucht werden. Es fährt nicht mehr der Stinke-Diesel die Pakete aus und auch nicht der Elektro-Van, sondern?

Das Lastenrad. Die modern geführten Paketdienste testen gerade massiv diese Lastenräder– die Mikrodepots machen’s möglich. Wer sagt’s denn? Wir werden wohl doch noch grün und klimafreundlich. Die Zahlen lügen nicht.

DHL geht davon aus, dass vier in Miami eingesetzte Lastenräder vier LKW ersetzen und so die Luft Jahr für Jahr um 101.000 Kilo CO2 entlasten. Ein ganz bestimmtes Lastenrad, das im Berliner Prenzlauer Berg im Einsatz ist, spart 3 Tonnen CO2 jährlich. Das ist doch was. Und wer redet drüber? Keiner. Ist ja kein Skandal und keine Katastrophe. Das haben wir in der anhaltenden Krise auf medialer Ebene noch nicht gelernt: Alarmismus und Kassandra-Geschrei sind weder zielführend noch motivierend und machen einfach nur schlechte Laune. Wenn Sie also demnächst in Ihrer Nachbarschaft einen Lastenrad-Radler radeln sehen: Gratulieren Sie ihm via Corona-Gruß!

Wobei unweigerlich der Einwand fällt: Und was macht der Lastenrad-Radler im Januar in Schwäbisch Sibirien? Als diese Zeilen ins Manuskript gingen, lag dort bei anhaltendem endzeitlichen Schneegestöber die Schneehöhe bei knapp einem Meter und das Verkehrschaos tobte. Doch das ist ein Problem, das sich lösen lässt – leichter jedenfalls als die Klima-Katastrophe. Leider scheinen das noch nicht alle erkannt zu haben.

Groningen in den Niederlanden, eine Stadt mit über 200.000 Einwohnern, möchte bis 2025, also bis in fünf Jahren, die gesamte Logistik CO2-frei ermöglichen. Welche deutsche Stadt hat so etwas Ambitioniertes bereits angekündigt? Wer möchte sich melden?

Wir alle beklagen die miese Luft in unseren Städten und die Klima-Katastrophe, die Allergien und Atemwegserkrankungen unserer Kinder und Enkel, aber dass mal jemand eine CO2-freie Stadt ausruft …

Aber vielleicht melden sich jetzt einige Gemeinden, Städten und Flecken: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

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