Auf zum Mars!

Der Mars ist erobert. „Perseverance“ ist gelandet. Endlich, möchte man sagen. Denn seit 1960 versuchen die Weltraum-Nationen, auf unseren nächsten Planeten zu kommen. Mars, Merkur und Venus konkurrieren um diese Position. Und von diesen drei hat Mars die attraktivste Perspektive der Erforschung. Denn dort, wo Perseverance jetzt herumfährt, sieht es verdächtig nach einem alten, ausgetrockneten Flussdelta aus. War da mal was?

Etwa Leben? Und könnte man, rein theoretisch und mit Hilfe von etwas Terraforming, dort in einigen Jahrzehnten (wieder) Leben ansiedeln?

Genau das ist eines der Forschungsziele der Mission „Mars 2020“. Die anderen drei Ziele sind: Klima kennenlernen, Geologie erkunden und erste Vorbereitungen für eine menschliche Ansiedlung treffen; insbesondere mit dem Fokus: Wie könnte man auf dem Mars Sauerstoff gewinnen?

Das ist nicht so utopisch wie es klingt, wenn man seinen Chemie-Baukasten kennt. Auf dem Mars gibt es nämlich jede Menge CO2. Und wie man Kohlendioxid in Kohlenstoff und Sauerstoff aufspaltet, ist an und für sich kein Problem, wenn man einmal davon absieht, dass es auf einem fremden Planeten stattfinden soll – doch genau das soll ja Perseverance erforschen. Es geht um die Frage: Wie rein ist der Sauerstoff nach so einem Vorgang auf dem Mars? Könnten wir ihn atmen?

Spätestens an dieser Stelle jedoch meldet sich unser moralisches Gewissen und mahnt: Leute, anstatt sich jetzt schon einen Ersatzplaneten zu besorgen, sollten wir lieber versuchen, ob der inzwischen größtenteils verbrauchte und verramschte nicht doch noch vor uns gerettet werden kann. Aber erzähl das mal der NASA – oder dem Pendler, der im Auto vor mir die leere Getränkedose in hohem Bogen aus dem Seitenfenster in die Botanik wirft. Wir sind im Erobern deutlich besser als im Bewahren. Im Zweifelsfall kicken wir einen kompletten Planeten in die Tonne und schlagen unsere Zelte lieber woanders in der Galaxie auf, wo unsere Umweltsünden noch nicht so schlimm zum Himmel stinken. Wenn wir auch nur ein Zehntel des Geldes, das wir ins All schießen, in die Erforschung und konstruktive Beeinflussung der menschlichen Natur stecken würden – unvorstellbar, wohin es die Menschheit noch bringen könnte!

Pikant ist übrigens die langfristige Perspektive einer Marskolonie, die Forscher in Parallele zur Kolonisierung Amerikas im 17. Jahrhundert sehen: Wir besiedeln in den nächsten Jahrzehnten den Roten Planeten und knapp 150 Jahre später erklärt der Mars seine Unabhängigkeit und zeigt dem verpesteten, verbrauchten und verschmutzten Mutterplaneten die lange Nase.

Schon heute herrscht im Vergleich zu den letzten Jahrhunderten mächtig Verkehr auf und um den Mars. Am 9. Februar schwenkte „Hope“, die Marssonde der Vereinigten Arabischen Emirate, in eine Umlaufbahn ein. Einen Tag später die chinesische Sonde Tianwen-1 und am 18.2. dann Perseverance. Was das kostet!

Allein die US-Mission verschlingt 2,4 Milliarden Dollar, während 90 Prozent der ärmsten Länder der Welt nicht genug Geld für ausreichend Corona-Impfstoff haben und täglich immer noch Hunderte Millionen Menschen hungern, frieren oder keinen Zugang zu sauberem Wasser oder Schulbildung für ihre Kinder haben. Man denkt sich den Obelix: Die spinnen, die Menschen.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Diese Spinnerei hat auch Vorteile. Viele technische Errungenschaften der Raumforschung haben Einzug in unseren Alltag gefunden. Außerdem gilt das Erste Thermodynamische Grundgesetz der Forschung: Wer weiß, wozu das später mal gut ist? Vieles, was man für den wissenschaftlichen Kosmos-Tourismus erforschte und erfand, bringt auch die Forschung für irdische Zwecke voran. Selbst wenn es das nicht täte und wir in einem moralisch-logischen Dilemma zwischen forschen oder nicht forschen gefangen wären, gälte Occam’s Razor: Wähle im Zweifel die plausiblere, die aktivere Option. Oder wie Heinz von Foerster sagte: Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird. Also fliegen wir zum Mars.

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