Alles, was Gold ist, glänzt

Krisenzeiten sind Goldzeiten. Je schlechter es der Welt geht, desto besser steht der Goldkurs. Warum eigentlich? Warum brauchen und benutzen wir im Zeitalter von bargeldloser Bezahlung, Kreditkarten, Paypal und Bitcoin immer noch Gold, eine der ältesten Währungen der Geschichte? Schon seit dem 6. Jahrhundert vor Christus wird Gold bereits als Zahlungsmittel benutzt; damals in Form von Goldmünzen. Warum?

Weil es damals noch keine Zentralbank gab. Und eine Währung „funktioniert“ nur dann, wenn jemand ihren Wert garantiert. Bei uns ist das die Zentralbank. Beim Gold ist es das Material: Da es so schrecklich selten ist und sein Wert, Spekulationen rausgerechnet, relativ stabil ist, taugt es als Währung.

Außerdem ist Gold beständig. Wenn ich so eine Goldmünze mit der dreckigen Jeans aus Versehen in der Waschmaschine mitwasche, zerfleddert sie nicht wie früher alte Geldscheine. Gold ist vermögensbeständig. Ich kann damit über Generationen hinweg Vermögen vererben.

Gold lässt sich auch verarbeiten. Der Wert des Bitcoins zum Beispiel wird, könnte man meinen, derzeit allein durch Nachfrage und Spekulation getrieben. Gold dagegen hat einen Wert an sich, einen Materialwert als seltenes Metall. Wenn der Rapper seine massive Goldkette nicht mehr tragen möchte, kann er sie zu Münzen oder Barren einschmelzen – und umgekehrt. Seinen hohen Wert erhält Gold vor allem durch seine Knappheit und den massiven Aufwand bei der Förderung.

Je nach Goldmine findet man in 1000 Tonnen Gestein gerade mal 4 Gramm Gold. Das ist ein Gramm pro 250 000 Kilo Gestein. Über 40 Prozent der jährlichen Förderung kommen aus fünf Ländern: China, Australien, USA, Russland und Kanada. Südafrikanische Minen reichen heute unter Tage bis zu 4.000 Meter unter die Erdoberfläche. Was der Mensch an Härten auf sich nimmt, um an ein bisschen Gold zu kommen! Gier treibt weit.

Wobei der Umweltschutz zum Fenster raus fliegt. Für die Förderung von 1 Kilo Gold werden zwischen 12 und 16 Tonnen CO2 freigesetzt. Bei Kupfer sind es nur 3,5 Kilo. Das führt dazu, dass die weltweite Goldproduktion so viel CO2 in die Atmosphäre bläst wie ein Sechstel der gesamten deutschen CO2-Emissionen. Und CO2 ist noch nicht einmal die schlimmste Umweltsünde beim Schürfen von Gold.

Das Bild vom Goldgräber mit Stirnlampe und Spitzhacke ist nämlich veraltet. Heute wird zwar auch noch maschinell gegraben, jedoch auch unter Einsatz von Chemikalien das Gold ausgespült. Und diese Chemikalien sind pures Gift für die Umwelt. Ich wette, kein Rapper, der sich gerne mit Bling Bling behängt, weiß das. Oder seine Fans. Oder die Leute, die sich beim Juwelier was Schönes aussuchen. Allein um das Gold für einen Ehering zu gewinnen, fallen 20 Tonnen giftigen Abfalls, Boden und Gestein an. Und Kinderarbeit.

Gold wird in einer Branche geschürft und gefördert, die stark auf Kinderarbeit setzt. Allein in den peruanischen Minen arbeiten rund 50.000 Kinder, die meist gerade mal 6 Jahre alt sind. Kleine Kinder brauchen kleine Stollen – das spart Zeit und Aufwand und ist jenseits von zynisch und menschenverachtend. Wir achten beim Einkauf darauf, ob unser Frühstücksei von glücklichen, freilaufenden Hühnern ist. Doch wieviel Kinder für unseren Schmuck schuften müssen, ist uns bislang weitgehend egal.

Natürlich gibt es auch umwelt- und sozialverträgliche Verfahren des Goldabbaus. Doch bei der Komplexität der internationalen Liefernetzwerke vermischen sich Licht und Schatten. Auch aus diesem Grund kommt demnächst das deutsche Lieferkettengesetz. Mal sehen, wie die Branche damit umgeht. Denn wie man in diese undurchsichtige Lieferlage Transparenz reinbringen soll, weiß bislang niemand, am wenigsten der Gesetzgeber, der diese Transparenz fordert.

Vielleicht erledigt sich das Thema auch von selbst: Wir haben das meiste Gold schon aus der Erde rausgeholt. Rund 77 Prozent der irdischen Vorräte sind erschlossen. Pro Jahr werden rund 3.100 Tonnen Gold gefördert, weshalb hochgerechnet in weniger als 20 Jahren nichts mehr da sein wird, das zu vernünftigen Kosten gefördert werden könnte. Spätestens dann wird der Goldpreis durch die Decke gehen und Recycling noch attraktiver werden. Spätestens dann holen wir das Gold dort wieder raus, wo es bislang auch schon drinsteckt, aber nach Gebrauch nicht mehr rückgewonnen wird: Goldzähne, technische Geräte, Medizin- und Elektrotechnik. 1 Kilo recyceltes Gold setzt nämlich lediglich 53 Kilo CO2 frei – keine 12 bis 16 Tonnen wie bei der Förderung.

Die Deutsche Bundesbank lagert übrigens Reserven in Form von Goldbarren im Wert von 166 Mrd. Euro ein. Warum, erschließt sich nicht spontan. Denn seit Bretton Woods und den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts brauchen wir kein Gold mehr zur Absicherung unserer Währung. Aber es schadet ja nie, wenn man etwas Gold unter der Matratze hat.