Berufe der Zukunft

Deutschland fehlen mehr als 50.000 LKW-Lenker (Berufskraftfahrer). Wir merken das noch nicht an leeren Supermarkt-Regalen, weil die Fahrer, die wir aus eigener Kraft nicht stellen können, aus Osteuropa kommen. Bislang noch. Inmitten der galoppierenden Digitalisierung ist also ein der analogsten Berufe der Welt heftig nachgefragt.

Der LKW-Führerschein ist in den Adelsstand einer Job-Garantie erhoben worden. Wer heute einen Brummi fahren kann und möchte, kann sich praktisch in jedem Bundesland den Arbeitgeber aussuchen und wird mit Handkuss genommen. Möglicherweise ist das eine berufliche Perspektive für die Zehntausenden, die wegen des Lockdowns in Hotellerie, Gastronomie und Non-Food-Einzelhandel arbeitslos werden. Das ist ein schlimmer Gedanke? Ja, das ist er. Und viel zu wenige – außer den Arbeitslosen in spe – denken ihn.

Gleichzeitig stellt die Digitalisierung aber natürlich auch diesen Beruf auf den Kopf. Ein LKW-Fahrer fährt heute zwar nach wie vor seinen Laster, wird aber zunehmend zum Transport-Manager. Er lenkt noch wie bisher, doch zusätzlich schreibt er auch Rechnungen, vereinbart Termine beim Kunden, stimmt sie mit der zentralen Dispo ab und er plant teils seine Routen selber. Macht das nicht der Disponent? Er machte das und macht das auch heute noch – doch der Fahrer macht mit, die Digitalisierung macht’s möglich.

Denn wie wir alle wissen: Dezentrale Planung ist bessere Planung, weil sie direkt am Ort des Geschehens, direkt beim Kunden ansetzt. Das war vor der Digitalisierung leider nur nie möglich, weil auch die dezentrale Planung aufs zentrale Netzwerk und zentrale Daten zugreifen können muss. Das ist erst seit der Digitalisierung möglich, weshalb Trucker allenthalben de facto zu „Truck-Managern“ befördert werden. Und wenn schon der Trucker digitalisiert wird, dann bald auch der ganze Truck, Stichwort Autonomes Fahren. Autonome Trucks?

Vom Autonomen Fahren schwärmen zwar die Publikumsmedien und irgendwann kommt das auch. Voraussichtlich aber zunächst beim PKW. Doch in der Logistik-Branche rechnet in den nächsten Jahren kaum jemand damit. Dafür sind die Aufgaben eines Fahrers zu vielfältig und zu komplex. Er fährt eben nicht nur. Er überwacht auch das Be- und Entladen, sichert die Fracht und improvisiert an der Rampe bei Sonderwünschen oder Planabweichungen der Kunden, falls nötig. Das schafft absehbar noch keine KI. Außerdem: Was machen wohl die PKW-Fahrer auf Deutschlands Straßen, wenn sie wissen, dass ihnen mit hoher Geschwindigkeit in ihrem Rückspiegel auftauchenden Mega-Liner kein verantwortungsvoller Mensch mehr sitzt, sondern Skynet? Rechts ranfahren? Panikartig ihr Gefährt verlassen?

Der analoge LKW-Fahrer wird wohl noch lange und weit in die Digitalisierung hinein analog fahren. Warum nur „der“ Fahrer? Was ist mit den Fahrerinnen, die inzwischen so zahlreich und populär sind, dass sie im Privat-TV bereits eine eigene Show haben, die weit über die erste Staffel hinaus gediehen ist? Dabei lautete vor nicht allzu langer Zeit der legendäre Ein/Vorwand: Logistik ist Männersache! Wenn es eine Branche gibt, in der Tonnage bewegt und Muskelmasse gefragt ist, dann doch wohl Transport und Logistik! Ja?

Inzwischen glücklicherweise völlig überholt. Bereits 2017 betrug „Die Quote“ in der ehemaligen Männer-Branche (Logistik, Transport und Verkehr) – was schätzen Sie?

Etwas mehr als 20 Prozent, was für einen „reinen Männerberuf“ ein guter Anfang ist. Das mag auch an der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung liegen. Es werden seither weniger Muskeln und mehr Hirn gefragt (das soll keine männerfeindliche Bemerkung sein). Überall entfalten sich die Vorteile des Digitalen: Es erlaubt eine genauere Navigation, eine effizientere Routenplanung, mehr Agilität und Flexibilität beim Transport und weniger Friktionen in der Kommunikation.

Die Digitalisierung kann sogar Diesel sparen, Abgase verringern und damit die Umwelt schonen, indem sie den Fahrer zum Beispiel gegebenenfalls ans Einschalten des Tempomats erinnert und generell seinen Fahrstil effizienter macht. Außerdem macht die zunehmende Zahl und Intelligenz der Assistenzsysteme das Leben und Fahren auf allen Straßen für uns alle sicherer.

Da ist es wieder, das Mantra unserer Zeit: Wer sich gut in und mit der Digitalisierung auskennt, findet und behält auch in der Logistik von morgen einen guten und sicheren Arbeitsplatz.