Diesel schlägt E-Auto – echt jetzt?

Kurz vor Ostern hat eine Studie des Ifo-Instituts für Aufruhr gesorgt; Titel: „Elektroautos kein Allheilmittel für den Klimaschutz“. Ahnten wir es doch: Verschwörung! Die linken Medien und einige Politiker wollen den Diesel killen! Wirklich?

Die Studie vergleicht ein E-Auto mit einem Diesel, konkret: Einen Tesla Model 3 mit einem Mercedes C 220 Diesel. Wieviel CO2 stoßen beide aus? Schockierendes Ergebnis: Das E-Auto verpestet Atemluft, Klima, Umwelt und Menschen mit 11 bis 28 Prozent mehr Treibhausgas als das Dieselauto! Und sofort setzte der Aufruhr ein.

Denn bis zu dieser Studie hatten sich Öffentlichkeit, Medien, Politik und auch weite Teile der Wissenschaft auf die politisch korrekte Meinung geeinigt: Das E-Auto rettet die Welt! Mit dem Ifo-Ergebnis hatte niemand wirklich gerechnet. Denn die Logik scheint bestechend: Ein E-Auto hat keinen Auspuff! Also kann es beim Fahren auch kein CO2 ausstoßen. Leider ist das eine Schein-Logik.

Denn vor und nach dem Fahren bläst ein E-Auto natürlich CO2 in die Atemluft. Und jede Menge davon. Zum Beispiel bei der Herstellung seines Akkus. Bis der Akku vom Tesla Model 3 hergestellt ist, quellen 11 bis 15 Tonnen CO2 aus den Fabrikschornsteinen (Dass Tesla angibt seine Fabriken ausschließlich mit erneuerbaren Energien betreibt, lassen wir mal außen vor). Für jeden einzelnen Akku! Tonnen! Da kann ein Diesel lange qualmen (moderne Diesel qualmen nicht), bis er so viel böses Gas rausbläst. Blöd ist auch, dass der Akku lediglich auf eine Laufleistung von 150.000 km kommt – da lacht jeder anständige Dieselmotor nur. Anschließend muss der Akku im Sondermüll entsorgt werden – auch bei dieser Materialtrennung und Entsorgung fällt wieder CO2 an.

Selbst wenn das E-Auto fährt, stößt es tatsächlich doch CO2 aus. Nämlich über den Strom, mit dem es geladen wird. Dieser kommt immer noch zu Teilen aus Gas- und Kohlekraftwerken, solange der Strom aus der Steckdose nicht zu 100 Prozent aus Wind- und Sonnenergie gewonnen wird. Deshalb unterstellte die Ifo-Studie auch den aktuellen deutschen Strommix. Spätestens an dieser Stelle werden treue Blog-LeserInnen stutzig geworden sein: Das hatten wir doch alles schon?

Richtig erinnert, nämlich im Blog  „Wie grün ist das E-Auto wirklich?“. Da haben unsere Studierenden im Rahmen einer Seminararbeit sehr gründlich, verlässlich und nachvollziehbar schon einmal die Frage beleuchtet: Rettet das E-Auto das Klima – oder nicht? Ihr Kernergebnis: Bei Kleinwagen und unterer Mittelklasse – Ja mit Ausrufezeichen! Bei Oberklasse-Autos ist dagegen tatsächlich der Diesel umwelt- und menschenfreundlicher. Also wird der Diesel von den Medien schlechtgeredet?

Und namhafte Forscher sind Teil der Verschwörung? Zum Beispiel das renommierte Fraunhofer-Institut, das in einer eigenen Studie herausfand, dass E-Autos im Schnitt bis zu 43 Prozent weniger klimaschädlich sind als Verbrenner? Wie passt das zusammen? Wer hat recht?

Wie immer im Zeitalter der Verunsicherung erlangt man Gewissheit und Klarheit, indem man genauer hinschaut: Wie kommen die Leute zu ihren Aussagen? Oder wie Kurt Tucholsky gerne fragte: Worauf herauf?

Für Studien heißt das: Welche Annahmen treffen sie? Denn Annahmen determinieren Ergebnisse. Die Ifo-Studie zum Beispiel trifft als Annahme eine Akku-Standleistung von 150.000 km Reichweite. Langzeit-Tests haben jedoch bereits gezeigt, dass heutige Akkus bedeutend länger Leistung liefern. Und je länger sie das tun, desto seltener fällt bei ihrer Produktion und Entsorgung schädliches CO2 an: Das E-Auto holt gegenüber dem Diesel auf, je länger der Akku Leistung abgibt.

Zweite Annahme der Ifo-Studie: Tesla Model 3. Warum dieses? Weil es dasjenige E-Auto mit dem derzeit größten marktgängigen Akku ist (honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Der Akku vom Model 3 bringt 75 kWh. Das durchschnittliche in Deutschland verkaufte E-Auto dagegen 20 kWh. Ein „normales“ E-Auto hat einen viel kleineren Akku, der bei Herstellung und Entsorgung auch viel weniger CO2 verursacht.

Dritte Annahme: Entsorgung heißt eben nicht Totalverlust. Selbst wenn ein Akku fürs Auto zu alt ist, kann man ihn noch für andere Zwecke nutzen, zum Beispiel als Power Bank für Zuhause. Außerdem lassen sich Akkus zu großen Teilen recyceln – das Lithium im Akku wird gut und gerne zurückgewonnen.

Vierte Annahme: Diesel-Verbrauch. Für die Studie wurde mit Normverbrauch gerechnet, der für den Diesel bei 4,5 Litern auf 100 km liegt. Wir alle haben jedoch in den letzten Monaten erfahren, was diese Verkaufsprospektangaben wert sind. Tatsächlich verbraucht der Diesel eher 6,7 Liter im realen Straßenverkehr und stößt daher auch mehr CO2 aus.

Und schließlich: Der Studie wurde der aktuelle Strommix zugrunde gelegt. Heute passt das noch. Doch vernünftigerweise geht man davon aus, dass der Anteil der nachhaltigen Stromquellen in den kommenden Jahren getreu dem jahrelangen Trend noch weiter zunehmen wird und damit der CO2-Ausstoß jedes Stromnutzers im selben Maß sinken wird: Das E-Auto holt immer weiter auf.

Fazit: Wenn man realistisch rechnet, rechnet sich das E-Auto. Es verursacht über seine komplette Lebenszeit betrachtet weniger Treibhausgas als ein Diesel. Das gilt am deutlichsten für Autos, die mehr als 11.000 km im Jahr fahren. Besonders eignet es sich für Fahrer, die diese Fahrleistung beim täglichen Pendeln auf dem Weg zur und von der Arbeit erreichen, wenn eine Strecke ca. 40 km beträgt (also keine Langstrecke). Ein E-Auto verursacht auch dann weniger CO2 als der Diesel, wenn es nicht nur die statistisch eine Stunde am Tag genutzt wird, sondern länger – zum Beispiel, weil es ein Sharing Car ist. Außerdem: Wir haben lediglich das CO2 betrachtet – nicht auch den mindestens ebenso fatalen Ausstoß von Feinstaub und Stickstoffoxiden. Einzige Ausnahme von den ansonsten klar zugunsten des E-Autos ausfallenden Ergebnissen: Luxus-Diesel stoßen weniger CO2 aus als vergleichbare E-Autos. Das sind die Fakten.

Wir leben in einer Ära der Fake News? Kein Problem. Wir machen den Fakten-Check.

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