Wir fliegen ins All!

Wann bekommt Deutschland seinen eigenen Weltraum-Bahnhof? Der Weltraum erlebt aktuell neue Relevanz und neues Interesse, seit mit der „New Space“ Bewegung auch private Firmen die unendlichen Weiten des Weltalls erobern wollen. Firmen wie SpaceX von Elon Musk oder Blue Origin von Jeff Bezos haben im Orbit und darüber hinaus eine neue Spielwiese gefunden, auf der sie sich austoben. Möglich wurde das, seit die NASA ihr Quasi-Monopol auf den Weltraum aufgab und nun auch private Firmen beauftragt, Satelliten und Raketen ins All zu schießen. Warum nicht von Deutschland aus?

Das ist keine Frage mehr, sondern eine Forderung, die jüngst aus der deutschen Industrie an Öffentlichkeit und Politik herangetragen wurde. Wirtschaftsminister Altmaier begrüßte die Forderung – was aus den Kreisen der bundesweit bekannten Dauermeckerer, Besserwisser und notorischen Rechthaber standesgemäß mit Hohn und Spott quittiert wurde. Streng nach dem Motto: „Erst machen wir uns über Innovationen lustig, und sobald sie sich auch ohne unsere Unterstützung durchgesetzt haben, behaupten wir dreist: ‚Wir waren schon immer dafür!‘“ Warum sind wir Deutschen hauptsächlich fürs Meckern und die Amis fürs Machen bekannt?

Vielleicht fehlen uns (steinreiche) Visionäre wie Bezos und Musk, die nicht nur mit flotten Forderungen auffallen, sondern auch das nötige Kleingeld für deren Realisierung mitbringen – obwohl in unserer Gründer- und Start-up-Szene ebenfalls viele Innovateure und Entrepreneure unterwegs sind. An der Expertise jedenfalls kann es nicht liegen. Denn vieles von uns fliegt bereits ins und durchs All: Deutsche Firmen produzieren Raketenteile und Satelliten. Deutschland finanziert auch zu großen Teilen die ESA, die europäische Weltraumorganisation, die kleine Schwester der NASA. Doch was die nationale Raumfahrt anbelangt, fehlt uns auch das Geld.

So gibt Frankreich jährlich 700 Millionen Euro für nationale Weltraumprojekte aus, Deutschland lediglich knapp 300 Millionen. Wir sind eine Logistik-Nation, die in die entlegensten Winkel der Welt vordringt – bloß nicht ins All? Dabei hätten wir bereits das Notfall-Provisorium eines Weltraum-Bahnhofs. Wo?

Im niedersächsischen Nordholz bei Cuxhaven. Dort steht ein Flugplatz, der seit Jahr und Tag als Notfall-Landeplatz für das Space Shuttle der NASA genehmigt wurde und dafür alle NASA-Spezifikationen erfüllt. Natürlich liegt quasi vor der Haustür von Nordholz auch das Wattenmeer, dessen reichhaltige Fauna vom Absturz einer defekten Rakete ausradiert werden könnte. Ein zukünftiger Weltraum-Bahnhof sollte keine Gefahren für Umwelt und Wohngebiete darstellen. Doch Deutschland hat immer noch viele und große dünn besiedelte Gebiete, die das gewährleisten könnten.

Deutschland ist ohnehin wegen seiner äquator-fernen geographischen Lage nicht geeignet für die großen Weltraum-Exkursionen zum Beispiel Richtung Mars, die sehr große Raketen erfordern. Doch für den Start von kleinen und vielen Schwarm-Satelliten wäre der Standort vielversprechend. Außerdem müssen moderne Raketen nicht unbedingt senkrecht starten. Sie können auch von Flugzeugen als fliegende Start-Plattformen horizontal starten.

Mit der „Orion“ wollen die Amerikaner 2024 wieder den ersten bemannten Mondflug seit den Apollo-Missionen starten – und woher kommt gut die Hälfte der Orion-Rakete? Von Airbus in Bremen. Wir bauen bereits Raumschiffe! Für die Amerikaner. Wir liefern die Schlüsselkomponenten – für andere. Warum nicht für uns? Warum wollen wir nur Zulieferer sein und nicht auch Space Pioneers?

Selbst die ESA begrüßt nationale deutsche Weltraumpläne. Die ESA fasst diese nicht als Konkurrenzveranstaltung, sondern als Bereicherung auf. Sie würde einen deutschen Weltraum-Bahnhof nicht ausschließlich für Deutschland, sondern in Deutschland verstehen und eigene Raketen dort starten lassen. Aber wir haben ja schon unüberwindlich scheinende Probleme, ein paar Windräder in die Landschaft zu stellen. Derweil wandert die Raumfahrt- und Satellitenindustrie aus. Airbus zum Beispiel baut direkt am Kennedy Space Center eine eigene Fertigungsstätte. Andere Firmen haben das schon längst getan oder haben es demnächst vor. Eine ganze Industrie samt ihren klugen Köpfen und tausenden Arbeitsplätzen ist im Begriff abzuwandern. Wollen wir das? Und wenn ja: Wer sind „wir“?

Manche behaupten, dass es ein Charakteristikum von saturierten Volkswirtschaften sei, dass erst mal alle neuen Ideen und Innovationen nicht begrüßt, sondern ausgebremst werden. Was sagt das über die geistige Verfassung einer Nation? Einer Nation von Bremsern. Natürlich gibt es schutzwürdige Interessen, die ohne Frage auch geschützt werden müssen. Doch die Metapher ist verräterisch: Noch nie kam jemand, der immer nur bremst, irgendwo hin.

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