Was soll das?

Sie war in den letzten Wochen schwer in den Schlagzeilen: die Bon-Pflicht. Alle elektronischen Kassen müssen seit Anfang des Jahres nach jedwedem Kauf einen Kassenbon ausdrucken. In vielen Ländern ist das schon seit langem Pflicht. Andere Länder rudern in diesen Tagen zurück.

Zum Beispiel Frankreich. Dort müssen Kassenzettel für Kleinbeträge nur noch auf Kundenwunsch ausgedruckt werden. Ab 2021 heißt „Kleinbetrag“ bis 20 Euro, ab 2022 bis 30 Euro. Unterhalb dieser Bagatell-Grenze besteht keine Kassenbon-Pflicht mehr. Während Frankreich also die Bon-Pflicht für das Gros der Kleineinkäufe abschafft, führen wir sie ein. Warum eigentlich?

Das offizielle Argument lautet: um Steuerbetrug zu verhindern, um dem Staat – also uns allen – mehr Steuereinnahmen zu sichern. Denn bislang wird jede Menge Umsatz gemacht, der nicht versteuert wird. Der Steuerausfall beträgt laut Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, immerhin 10 Milliarden Euro im Jahr. Die Schätzung des Verbandes der Registrierkassenhersteller geht sogar von einem Schaden von 70 Mrd. Euro jährlich aus (die große Differenz mag unter der Prämisse, dass der Zweck die Mittel heilige, im Interesse der Hersteller begründet liegen, möglichst viele neue Kassen zu verkaufen). Ganz gleich, welcher Schätzung man glauben mag: Es geht um eine Menge Geld, das der Allgemeinheit verloren geht (wenn man davon absieht, dass der Fiskus in den letzten Jahren ohnehin horrende Überschüsse erzielt hat und nicht weiß, was er mit dem vielen Geld anfangen soll).

Betrugssicher macht die Bon-Pflicht unsere Einkäufe dadurch, dass ein Händler das im Laden eingenommene Geld nicht einfach an der Steuer vorbei schleusen kann, wenn erst einmal ein Beleg dafür ausgedruckt wurde. Dann ist das Geld sozusagen dokumentiert, aktenkundig. Früher verschwand belegloses Geld gelegentlich in der schwarzen Kasse. Kritiker wenden ein: Das geht auch heute noch!

Und mit einfachsten Tricks: Ein betrügerischer Händler lässt zum Beispiel einfach zwischen zwei Einkäufen die Kasse offen. Der erste Käufer kriegt einen Bon (wenn er ihn will), der zweite nicht (was ihm nicht auffällt, da er in Eile ist oder ohnehin nie einen Bon wollte); die Einnahmen ohne Bon sind praktisch schwarz und die Bon-Pflicht damit ein zahnloser Fiskaltiger.

Und nicht nur ein zahnloser, sondern auch ein sehr teurer Tiger. Denn für die Bon-Pflicht wird ein Riesenaufwand betrieben. Der Handelsverband Deutschland HDE schätzt, dass die Bon-Pflicht eine Bon-Flut von mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Kassenbons jährlich auslöst. Und dies in Gretas Zeiten, wo wir jeden Baum für den Schutz des Klimas und nicht für die Produktion von Papierabfall benötigen. Am Amazonas holzen sie den Urwald für unsere Avocados ab und hierzulande für unsere Kassen-Bons. Und wofür?

Dafür, dass wir uns zu Hilfssheriffs des Fiskus, zu Hütern der Steuergerechtigkeit machen, indem wir nach unseren Einkäufen gewissenhaft Bons prüfen. Das zumindest fordern und erwarten die Bon-Befürworter. Wir kaufen also zehn Brötchen ein und auf dem Bon erscheinen lediglich fünf? Schon können wir laut „Betrug!“ rufen! Bloß: Wem rufen wir das zu? Wird erwartet, dass wir Anzeige erstatten? Ernsthaft? Und, Hand aufs Herz, wer hat schon jemals beim Brötchenkauf auf den Bon geschaut? Wer sich auch nur fünf Minuten in der Nähe jeder x-beliebigen Discounter- oder Ladenkasse aufgehalten hat, kriegt doch mit, dass acht von zehn Käufern den Bon nicht mitnehmen. Und dafür macht man jetzt so einen Aufstand?

Man zwingt dem Handel Millionen-Investitionen auf und produziert jede Menge Papierabfall (teils Sondermüll, wenn es sich um Thermopapier handelt) für ein bisschen mehr Steuereinnahmen? Das ist nicht sinnvoll, das ist die galoppierende Bürokratie (also typisch deutsch). Früher galt für die Verwaltung, dass ihre Maßnahmen geeignet, angemessen und verhältnismäßig sein müssen. Wann wurden diese Prinzipien außer Kraft gesetzt?

Einmal ganz zu schweigen von der Steuergerechtigkeit, die die Bon-Befürworter ins Feld führen und dabei übersehen, dass Gerechtigkeit ein Argument gegen, nicht für die Bon-Pflicht ist: Durch Steuertricks der Internetkonzerne gehen laut OECD-Schätzung der EU jährlich (2015) rund 224 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren. Und wir sollen den Händlern wegen ein paar Cent auf die Finger schauen? Weil der Fiskus sich das Geld nicht da holt, wo er es müsste, sondern wo er es kann? Beim kleinen Mann. Und die Großen lässt man laufen. Nicht in Frankreich.

Die Franzosen versteuern das Internet rückwirkend seit 2019 mit der neuen GAFA-Steuer (kurz für Google, Amazon, Facebook und Apple), weshalb sie auch schon Trumps Strafzoll-Zorn zu spüren bekamen. Aber die Franzosen haben auch eine andere Geschichte. Sie haben die Bastille gestürmt. Wir waren schon immer perfekte Untertanen. Ob wir es noch erleben, dass sich auch bei uns eine Regierung/Verwaltung für den kleinen Mann und die kleine Frau stark macht und die Großen zur Kasse bittet?

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