Die Erde atmet auf

Klima und Corona – der Zusammenhang ist offensichtlich im Sinne des Wortes: Nie war die Luft in vielen chinesischen Großstädten sichtbar sauberer als in den letzten Wochen. Viele chinesische Großstadt-Kinder sahen zum ersten Mal in ihrem Leben blauen Himmel. Kein Smog! Klare Luft.

Nicht ganz so extrem, aber ähnlich hierzulande: Schon mit bloßem Auge erkennbar weniger Verkehr auf den Straßen, weniger Staus und bessere Luft in den Innenstädten. Auch Satellitenbilder zeigen: Die Luft wird klarer, reiner, besser. Stadt und Städter atmen auf – was in Krisenzeiten stressreduzierend wirkt. Die Messstationen bestätigen objektiv den subjektiven Eindruck: Deutlich sinkende CO2-Werte in den vielen Städten. Natürlich kennen und erleiden wir alle den Preis, mit dem das alles erkauft wird; Stichworte Social Distancing, Quarantäne, Produktionsstopp, Ladenschließungen. Die Luft wird besser, aber die Wirtschaft ist im Sturzflug.

Wenn wir auf dem Emissionsstand, den wir heute haben, so weitermachen würden, würden wir das Klimaziel 2020 erreichen. Es liegt bei 60 Prozent des Ausstoßes von 1990. Sollten wir uns das wünschen? Dann hätten wir bis Weihnachten zwar kristallklare Luft und das Klima könnte sich erholen. Aber was wäre dann noch übrig von Wirtschaft und Gesellschaft?

Denn es fahren nicht nur weniger Autos und fliegen weniger Flugzeuge. Es rauchen auch weniger Schornsteine in der Produktion. Dadurch sinkt seinerseits der Bedarf an Rohmaterial und damit wiederum der CO2-Ausstoß bei dessen Herstellung und Transport. Das tut dem Klima gut. Und es schädigt die Wirtschaft, an der unsere Jobs hängen. Aber warte nur! Bis nach der Krise!

Da entwickeln wir dann alle so einen irren Nachholbedarf, dass die Wirtschaft kaum mehr hinterher kommt – und das Klimaziel fliegt zum Fenster raus? Womit „nach der Krise“ dann schon wieder „in der Krise“ wäre; in der Klima-Krise. Das ist uns schon mal passiert.

Nämlich nach der letzten Weltfinanzkrise 2009. Auch dort gingen in der Krise die CO2-Emissionen erst einmal nach unten, stiegen dann jedoch nach der Krise sogar auf ein Niveau weit über demjenigen vor der Krise. Schuld daran waren die überschießenden Nachhol-Effekte und falsche Anreize.

Damals hat man vor allem direkt nach der Krise heftig investiert – logisch, damit die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Der Haken daran: Bei Herstellung und Transport der Güter des überschießenden Nachholbedarfs wurde wie vormals vor der Krise doch wieder auf fossile Brennstoffe gesetzt – auch weil Anreize in die entgegengesetzte, nachhaltige Richtung fehlten: Chance verpasst. Ein typisches Beispiel eindimensionaler Zielsetzung: Man steigert sich blind in ein Ziel hinein und verliert alle anderen aus den Augen. Krisenmanagement ist das nur in dem Sinne, dass das Management eine Krise „managt“, indem es eine neue schafft – oder zu einer alten zurückkehrt. Die Therapie ist schlimmer als die Krankheit.

Diese Kurzsichtigkeit sollten wir diesmal überwinden und die aus der Krise sich ergebende Chance sinnvoll und nachhaltig nutzen. Jene Summen, welche Bundesregierung, EU und EZB zur Verfügung stellen, sollten nachhaltig investiert werden, zum Beispiel in grüne Wasserstoff-Technologien, nachhaltige Stahlproduktion, E-Mobilität, ein Programm zur großangelegten energetischen Sanierung von Gebäuden und das Lösen der Bremse für den Solar-Ausbau, die sich für den Sommer abzeichnet.

Wir alle könnten als Neuwagen keinen tonnenschweren Hausfrauen-Panzer (SUV) kaufen, sondern ein schönes E-Mobil und uns Wohnzimmer-Beleuchtungen mit 8.000 Lumen und mehr nochmal durch den Kopf gehen lassen. Alte Ölheizung? Ersetzen! Ebenso wie alte, energiefressende Wasch- und Spülmaschinen, Trockner, Kühlschränke, Gefriertruhen, Fernseher und Stereo-Anlagen: neue kaufen aus der Kategorie A+++. Das tut Klima und Wirtschaft gut.

Derzeit atmet der Planet auf und durch. Die Corona-Krise bietet die einzigartige Möglichkeit, die Energiewende und den Klimaschutz entscheidend voranzubringen und Wirtschaft und Gesellschaft noch stärker in Richtung Nachhaltigkeit zu orintieren. Tun wir’s. Und: Bleiben Sie gesund!

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